Hier finden Sie weiterführende Informationen und Dokumente zum Projekt und zu den Planungen im EU-Vogelschutzgebiet V09 Ostfriesische Meere
Hintergrundinformationen zum Projekt Wiesenvogelschutz Siers- und Herrenmeeder Meer (Landkreis Aurich)
Zum Schutz für heimische Wiesenvögel soll in einem Niedermoorgebiet südlich des Großen Meeres in Ostfriesland die Brutlebensräume verbessert werden. Hierfür ist die Anhebung des Wasserstandes in Kombination mit Maßnahmen zur Wiederherstellung der Offenlandschaft und einer extensiven landwirtschaftlichen Nutzung vorgesehen. Einhergehend mit dem Schutz der Wiesenbrüter sollen hier weiträumig verloren gegangene, für Ostfriesland ehemals typische Niederungslandschaften wiederhergestellt werden. Zusätzlich wird ein natürlicher Klimaschutzes durch Vernässung von Niedermoor angestrebt. Um alle Ziele auf derselben Fläche zu erreichen ist auch die Entfernung eines 2,5 Hektar großen Erlenwäldchens in Forlitz-Blaukirchen erforderlich. An dieser Vorgehensweise ist Kritik laut geworden. Der NLWKN hat großes Verständnis dafür, wenn das Fällen von Bäumen aus Motiven des Naturschutzes heraus auf den ersten Blick irritiert und auch Wiederstände auslöst. Dass sich Menschen in der Region für die Belange zum Beispiel der im Wäldchen nachgewiesenen Rauhautfledermäuse interessieren und einsetzen, begrüßen wir ausdrücklich, denn: der Naturschutz braucht gerade in der modernen, stark überprägten Landschaft jeden Verbündeten.
In die öffentliche Debatte haben sich neben manchen Fakten allerdings auch viele Spekulationen und Behauptungen gemischt. Hier erfahren Sie mehr über die Hintergründe, die wichtigsten Zusammenhänge und die tatsächlichen Planungen.
Übrigens: Wir werden auf dieser Seite fortlaufend über die Fortschritte bei den umfangreichen Arbeiten zur Wiedervernässung des Siers- und Herrenmeeder Meeres informieren.
Niedersachsen trägt eine besondere Verantwortung für den Schutz von Wiesenvögeln, da hier ein sehr hoher Anteil der gefährdeten Arten wie Uferschnepfe, Kiebitz, Brachvogel, Rotschenkel und Bekassine in Deutschland brüten. All diese Arten sind in ihrem Bestand gefährdet oder gar vom Aussterben bedroht. Diese Arten hatten ihre natürliche Hauptverbreitung in den Niederungen und Mooren, vor allen Dingen im Nordwesten Niedersachsens. Die westliche Population der Uferschnepfe hat beispielsweise in Europa heute nur noch ein sehr kleines Verbreitungsgebiet. In den Niederlanden und im westlichen Niedersachsen befinden sich zusammen über 90 % aller Brutpaare dieser Population. Ihr Bestand nimmt rapide ab.
Dem Vogelschutzgebiet V09 Ostfriesische Meere, in dem das Projektgebiet liegt, kommt vor diesem Hintergrund eine entscheidende Rolle für den Erhalt dieser Art zu: Die hier vorhandenen Wiesenvogelbestände rund um das Große Meer und auch gerade in Forlitz-Blaukirchen und in den angrenzenden Barsteder Meeden sind aus naturschutzfachlicher Sicht ein ganz besonders wertvoller Schatz, den es zu erhalten und weiter zu fördern gilt.
Der Naturschutz strebt deshalb eine nachhaltige Verbesserung des Lebensraums und damit auch des Erhaltungszustands der für diesen Naturraum wesentlichen Vogel- und Pflanzenarten an. Im Fokus steht eine rund 146 ha große Projektfläche im Bereich des Siers- und Herrenmeeder Meeres, die durch Rückhaltung von Niederschlagswasser und anstehendem Grundwassers wiedervernässt werden und damit in ihren naturnahen Zustand zurückversetzt werden soll.
Für die Entwicklung von gebietstypischem, artenreichem Feuchtgrünland sind große Gehölzbestände auf Moorböden allerdings ebenso nachteilig, wie für die Klimaziele. Konkret wird im Bereich Herrenmeeder Meer u.a. eine regelbare Wasserstandsanhebung geplant, um wieder geeignete Feuchtwiesenlebensräume für die Wiesenbrüter herzustellen und damit auch der Freisetzung von CO 2 aus den Moorböden entgegenzuwirken.
Das genannte Erlenwäldchen liegt im Naturschutzgebiet „Großes Meer und Loppersumer Meer“ und ist Teil der Natura 2000 Gebietskulisse am Großen Meer und sowohl Teil des EU-Vogelschutzgebietes V09 „Ostfriesische Meere“ als auch Teil des FFH-Gebietes 004 „Großes Meer, Loppersumer Meer“. Die Fläche ist somit von großer Bedeutung für den Naturschutz. Aus der FFH- und Vogelschutzrichtlinie ergibt sich die europarechtliche Verpflichtung, den guten Erhaltungszustand der Lebensraumtypen und wertgebenden Arten der offenen Moore und Grünländer zu erhalten, beziehungsweise wiederherzustellen. Die hierfür nötigen Erhaltungsmaßnahmen sind gemäß Art. 6 Abs. 1 FFH-Richtlinie bzw. analog Art. 4 Abs. 1 und 2 EU-VSchRL festzulegen. Hierzu können gem. § 32 Abs. 5 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) Bewirtschaftungspläne (Managementpläne) aufgestellt werden. Die Mitgliedstaaten tragen für die rechtzeitige Erstellung und Umsetzung von Managementplänen oder gleichwertiger Instrumente Sorge.
Der Managementplan für das hier betroffene Gebiet wurde im Auftrag des Landkreises Aurich erstellt. Der NLWKN war als Fachbehörde für Naturschutz beteiligt und hat den entsprechenden Maßnahmen zugestimmt. Der Managementplan ist übrigens bereits seit Jahren öffentlich zugänglich und auf der Internetseite des NKWKN abrufbar (EU-Vogelschutzgebiet V09 Ostfriesische Meere | Nds. Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz).
Für die Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen hat das Land Niedersachsen entsprechend Flächen erworben. Der genannte Erlenbaumbestand im Bereich Forlitz-Blaukirchen befindet sich auf einer landeseigenen Naturschutzfläche. Die naturschutzfachliche Betreuung obliegt entsprechend dem NLWKN.
Entgegen mancher Behauptung steht eine Rodung des Wäldchens - Stand Oktober 2025 - nicht unmittelbar bevor. Der Planfeststellungsbeschluss sieht vor, dass eine vollständige Entfernung des Erlenwäldchens in Forlitz erst erfolgen kann, wenn der Erfolg der erforderlichen Ausgleichsmaßnahme zum Schutz der Fledermäuse gesichert ist. Die in diesem Sommer vorgenommenen Markierungsarbeiten im Wäldchen dienen genau diesem Zweck – der Sichtbarmachung potenzieller, aber nicht nachgewiesener Quartiere von Fledermäusen, nicht der Markierung zu entfernender Bäume.
In der Erlenaufforstung ist das für diesen Lebensraum typische Arteninventar festzustellen, welches die üblichen gehölzbewohnenden Singvogelarten, aber auch Insekten und Amphibien umfasst. Nach dem Bundesnaturschutzgesetz sind alle europäischen Vogelarten geschützt, was ein Verbot der Tötung und Störung während der Brutzeit bedeutet. In dem Wäldchen wurden Sommerquartiere beziehungsweise Balz- und Jagdreviere insbesondere der Rauhautfledermaus.
Auch dem NLWKN ist das Wohl der im Erlenwäldchen vorkommenden Fledermausarten ein wichtiges Anliegen. Maßgabe der Planungen rund um das Niedermoorgebiet, in dem sich das Wäldchen befindet, war es von Anfang an, die Interessen der hier vorkommenden, schutzwürdigen Artengruppen miteinander zu vereinbaren. Dem Schutz vorkommender Fledermausarten wurde durch Auflagen im entsprechenden Planfeststellungsbeschlusses Rechnung getragen. Dieser sieht unter anderem vor, dass eine vollständige Entfernung des Erlenwäldchens in Forlitz erst erfolgen kann, wenn der Erfolg der bereits eingeleiteten Ausgleichsmaßnahme für die Rauhautfledermäuse gesichert ist.
Um ein möglichst genaues Bild davon zu haben, wie sich die Fledermauspopulation im Wäldchen entwickelt und wo konkret die Tiere vorkommen, werden die Flächen fortlaufend kontrolliert. Im Sommer wurden Bäume entsprechend markiert, die als Fledermausquartiere in Frage kommen. Im Umfeld des Gehölzes wurden an geeigneter Stelle verschiedene Fledermauskästen installiert. Für die kommenden Monate sind weitere Anstrengungen mit Blick auf derartige Alternativangebote für die Fledermäuse geplant.
Obwohl der NLWKN nicht dazu verpflichtet ist (unter Einbeziehung der unteren Waldbehörde wurde bereits 2017 festgestellt, dass eine Ersatzaufforstung nach der Ausnahmeregelung des §8 Abs. 4 Nr. 2 NWaldG nicht gesetzlich vorgeschrieben ist), hat er zudem freiwillig eine Landesnaturschutzfläche von 6,97 ha außerhalb der Wiesenvogellebensräume im Landkreis Aurich, die teilweise mit Moorbirkenwald bestanden ist und der natürlichen Waldentwicklung überlassen wird.
Die Entfernung des Erlenwäldchens war neben einigen anderen Maßnahmen bereits 2017 Gegenstand eines solchen Planfeststellungsverfahrens. Der entsprechende Planfeststellungsbeschluss erfolgte nach Beteiligung der zuständigen Behörden und öffentlicher Auslegung im August 2017 durch den Landkreis Aurich. Die Entfernung des Erlenforstes ist also bereits 2017 behördlich genehmigt worden. Im Zuge des Verfahrens wurden alle Naturschutzbelange sorgfältig abgewogen.
Im Rahmen dieses ordentlichen Planfeststellungsverfahrens, das einem klar festgesetzten Ablauf folgt, lagen die Antragsunterlagen zur Beteiligung der Öffentlichkeit in der Gemeinde Südbrookmerland und beim Landkreis Aurich aus. Alle Stellungnahmen wurden seinerzeit in dem Genehmigungsprozess berücksichtigt.
Einzelne Umsetzungsplanungen eines solchen Projektes – etwa die genannten Gehölzentfernungen – erfolgen nach Planfeststellung in der Regel ohne zusätzliche erneute Öffentlichkeitsbeteiligung, da sie durch den Planfeststellungsprozess bereits gewährleistet ist. Dies hat auch ganz praktische Gründe: Das Verfahren dient dazu, Umsetzungen von Großprojekten nicht unnötig in die Länge zu ziehen, da alle Einzelaspekte gesondert verhandelt und besprochen werden müssten. So werden unnötige Bürokratie und unnötiger Mehraufwand sowie schlimmstenfalls jahrzehntelanger Stillstand bei Vorhaben vermieden.
Eine extensive Beweidung und - je nach Standort - auch geringe Gaben an Festmist sind Teil der historischen Landnutzung in der Region und für den Wiesenvogelschutz durchaus wichtig. Sie alleine lösen die Probleme allerdings leider nicht, die zu den Bestandsrückgängen der Wiesenbrüter geführt haben. Wiesenvögel brauchen im Brutgebiet große grünlandgeprägte Landschaften, sie brauchen ein sehr hohes Maß an Offenheit, ohne vertikale Strukturen (z.B. Baumbestände, die Prädatoren anlocken), geringe Störungsintensitäten, hohe Wasserstände mit zeitweise flach überfluteten Bereichen und eine angepasste Grünlandbewirtschaftung. Genau das wollen wir im Bereich des Siers- und Herrenmeeder Meeres durch unser Projekt begünstigen.
Es ist richtig, dass ein intaktes Waldökosystem in Mitteleuropa tatsächlich langfristig bis zu 3 Tonnen CO2 pro Hektar und Jahr speichern kann. Hierbei handelt es sich nicht um die reine Aufnahmerate von Wäldern, sondern die tatsächliche CO2-Bilanz: Das bedeutet, man darf nicht nur die reine Speicherung von CO2 durch die Bäume im Holz heranziehen, sondern muss auch den CO2-Ausstoß der Bäume selbst mit berücksichtigen.
Wälder sind also grundsätzlich wichtig für den Klimaschutz. Bei einem Gehölzbestand auf entwässertem Moorboden wie in Forlitz überwiegt jedoch die Emission aus der Zersetzung des Torfs deutlich. Hier ist mit einer Abgabe von im Mittel mehr als 20 Tonnen CO2-Äquivalenten pro Hektar und Jahr in die Atmosphäre zu rechnen. Kommt es auf einer solchen Fläche zu einer Wiedervernässung dieses Ökosystems, können die jährlichen Emissionen langfristig auf 0 bis 8 t CO2-Äquivalente pro Hektar und Jahr verringert werden. Die Wiedervernässung des Niedermoors ist also aus Klimaschutzperspektive ganz eindeutig der hilfreichere Weg. Durch die vorgesehenen Maßnahmen im Herrenmeeder Meer sollen die Ziele des natürlichen Klimaschutzes und des Naturschutzes gemeinsam auf derselben Fläche umgesetzt werden.
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