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Verarmung statt Bereicherung – Die Gefährdung der einheimischen Biodiversität durch invasive Arten

Eine europaweite Strategie und die landesweite Koordination durch den NLWKN


von Dr. Linus Günther und Dr. Christian Boestfleisch

So unterschiedlich wie diese invasiven Arten, sind auch die Probleme, die sie verursachen, mögliche Gegenmaßnahmen und die Rechtsbereiche, die dabei zu beachten sind. Im UZS: Chinesischer Muntjak, Drüsiges Springkraut, Gelbe Scheincalla, Waschbär   Bildrechte: Christian Boestfleisch
So unterschiedlich wie diese invasiven Arten, sind auch die Probleme, die sie verursachen, mögliche Gegenmaßnahmen und die Rechtsbereiche, die dabei zu beachten sind. Im UZS: Chinesischer Muntjak, Drüsiges Springkraut, Gelbe Scheincalla, Waschbär

Tiere und Pflanzen, die infolge menschlicher Aktivität außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets auftreten und sich dort schädlich verbreiten – sogenannte invasive Arten – gelten weltweit als eine der größten Bedrohungen für die Biodiversität. Unabsichtlich oder absichtlich eingeführt können invasive Arten einheimische Arten durch Konkurrenz, Prädation, die Übertragung von Krankheitserregern oder Parasiten sowie durch Hybridisierung (genetische Vermischung) verdrängen. Letztlich können invasive Arten verändernd auf Habitatstruktur, Stoffflüsse, Bodenbildung und trophische Ebenen ganzer Ökosysteme wirken und sie im schlimmsten Falle zerstören.

Um dieser Bedrohung europaweit entgegen zu treten, wurde auf EU-Ebene mit der Verordnung (EU) Nr. 1143/2014 (IAS-VO) ein verbindlicher Rechtsrahmen geschaffen, dessen Umsetzung und Koordination auf Landesebene durch den NLWKN erfolgt. Die IAS-VO verfolgt einen dreistufigen Ansatz aus Prävention, Früherkennung und Management. Zentrales Element ist dabei die sogenannte Unionsliste, welche fortlaufend mittels Durchführungsverordnungen erweitert wird und festlegt, für welche Arten in Europa die IAS-VO Anwendung findet.

Exemplare der invasiven Art Brasilianisches Tausendblatt (Myriophyllum aquaticum), die falsch deklariert zum Verkauf angeboten wurden.   Bildrechte: UNB Lingen
Exemplare der invasiven Art Brasilianisches Tausendblatt (Myriophyllum aquaticum), die falsch deklariert zum Verkauf angeboten wurden.

Prävention

Für alle invasiven Arten der Unionsliste gelten u. a. Handels- und Besitzverbote. So soll präventiv verhindert werden, dass Arten absichtlich oder unabsichtlich in die freie Natur gelangen. Der NLWKN unterstützt dabei als Fachbehörde die vor Ort zuständigen unteren Naturschutzbehörden bei der Durchsetzung dieser Verbote. Hierzu zählten im vergangenen Jahr vor allem die rechtliche und fachliche Beratung bei Vor-Ort-Kontrollen und Beschlagnahmen im privaten und kommerziellen Bereich. Bei letzterem stellt zunehmend auch der Online-Handel ein großes Problem dar, welchem sich der NLWKN verstärkt widmen muss.

Soweit es Ausnahmen von den Verboten gibt, sind i. d. R. Genehmigungen erforderlich. Der NLWKN ist Bewilligungsbehörde für Ausnahmegenehmigungen zum Zwecke der Forschung an invasiven Arten.

Im letzten Jahr wurden Einzelfunde der Asiatischen Hornisse aus Hamburg publik. Aus Gründen der Vorsorge ist sie als invasive Art in der Kategorie Früherkennung eingestuft und muss gemeldet und beseitigt werden.   Bildrechte: Schütte-Wieckhorst
Im letzten Jahr wurden Einzelfunde der Asiatischen Hornisse aus Hamburg publik. Aus Gründen der Vorsorge ist sie als invasive Art in der Kategorie Früherkennung eingestuft und muss gemeldet und beseitigt werden.

Früherkennung und Sofortmaßnahmen

Wenn sich invasive Arten bereits in der freien Natur befinden, es sich aber noch um eine frühe Phase der Invasion handelt, muss versucht werden, sie wieder zu beseitigen. Am Anfang einer biologischen Invasion bestehen größere Chancen, Arten wieder aus dem Ökosystem zu entfernen, bevor sie größere Schäden anrichten können. Maßnahmen können dann noch wirksam und effizient sein. Sobald eine invasive Art in dieser frühen Phase erfasst oder gemeldet wird, koordiniert und finanziert der NLWKN die Entnahme aus der Natur durch die zuständige untere Naturschutzbehörde.

Diese Aufgabe erfordert zum Teil ein sehr artspezifisches Vorgehen. So kooperierten beispielsweise die nördlichen Bundesländer nach dem Erstnachweis der Asiatischen Hornisse (Vespa velutina nigrithorax) in Hamburg und erarbeiteten gemeinsam, mit dem Institut für Bienenkunde (LAVES) und dem NLWKN, ein spezielles Monitoring. Dieses wird in enger Zusammenarbeit mit den Imkern und Imkerinnen vor Ort zukünftig das Auftreten der Art rechtzeitig erfassen und somit die Grundlage für ein frühzeitiges Handeln bilden (weitere Informationen unter www.AHlert-nord.de).

Exemplare des vermutlich falsch entsorgten Brasilianischen Tausendblatts zwischen gefährdeten Krebsscheren (oben). Bei Untätigkeit verdrängen Schwimmteppiche die Krebsschere und die darauf angewiesene extrem seltene Grüne Mosaikjungfer (unten).   Bildrechte: Detleff Kolthoff, UNB Leer
Exemplare des vermutlich falsch entsorgten Brasilianischen Tausendblatts zwischen gefährdeten Krebsscheren (oben). Bei Untätigkeit verdrängen Schwimmteppiche die Krebsschere und die darauf angewiesene extrem seltene Grüne Mosaikjungfer (unten).

Management

Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass eine erfolgreich etablierte weit verbreitete invasive Art sich nicht mehr oder nur mit sehr hohem finanziellen Aufwand aus dem Ökosystem entfernen lässt. Für diese Arten werden Managementmaßnahmen angewendet, um die negativen Auswirkungen zu minimieren. Der NLWKN arbeitet in einer Bund-Länder-Expertengruppe zu Erstellung der Managementmaßnahmen mit und organisiert die Öffentlichkeitsbeteiligung in Niedersachsen.

Der NLWKN fördert mit Landesmitteln Maßnahmen zum Management oder zur Beseitigung von invasiven Arten im Rahmen der Landesprioritätenliste „Invasive Arten“ (LPL IA). Hierfür können die unteren Naturschutzbehörden Projekte anmelden, welche vom NLWKN bewertet und priorisiert werden, wobei der naturschutzfachliche Nutzen im Vordergrund steht. Im Jahr 2019 wurden im Rahmen der LPL IA zwölf Projekte und 2020 bereits 23 Projekte verwirklicht. Für die Saison 2021 sind nun 26 Projekte geplant und bereits durch den NLWKN bewilligt.

Die Überarbeitung des Überwachungssystems für Invasive Arten

Zur Wahrnehmung der Aufgaben und Pflichten, welche sich aus der IAS-VO für den NLWKN ergeben, ist eine umfassende Datengrundlage unerlässlich. Zentral sind hierbei Verbreitungsdaten invasiver oder poteniell invasiver Arten, aber auch Daten zu den genannten Sofort- und Managementmaßnahmen. Der NLWKN verbessert und überarbeitet daher kontinuierlich die Erfassung und Auswertung relevanter Daten. Im letzten Jahr wurde dazu ein Konzept erarbeitet, welches die umfassende Erneuerung des Überwachungssystems für invasive Arten in Niedersachsen vorsieht. Entscheidend für den Erfolg des neuen Überwachungssystems und die Bekämpfung invasiver Arten in Niedersachsen sind die barrierefreie Eingabemöglichkeit und Bereitstellung von Daten zu invasiven Arten für alle Akteure.

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