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Erfolgreiche Feuchtgrünlandentwicklung durch Naturschutzmaßnahmen

Langfristige Veränderung von Flora, Vegetation und Avifauna am Beispiel des Ochsenmoores in der Dümmerniederung


Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen

Heft 4/12, 76 S., 4,- €, Download als PDF in der Infospalte

von Volker Blüml, Heinrich Belting, Martin Diekmann und Dietmar Zacharias


Beiträge

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Erfolgreiche Feuchtgrünlandentwicklung durch Naturschutzmaßnahmen
– Langfristige Veränderung von Flora, Vegetation und Avifauna am Beispiel des Ochsenmoores in der Dümmerniederung –
von Volker Blüml, Heinrich Belting, Martin Diekmann und Dietmar Zacharias

Inhalt

1 Einleitung
2 Das Untersuchungsgebiet

2.1 Geographische Lage
2.2 Geologie, Böden und Hydrologie
2.3 Klima und Witterung
2.4 Naturschutzaktivitäten sowie historische vegetationskundliche Untersuchungen
2.5 Entwicklung der Brut- und Gastvogelbestände
2.5.1 Brutvögel
2.5.2 Gastvögel
3 Material und Methoden
3.1 Kartierungen der Flora und Vegetation
3.1.1 Pflanzensoziologische Kartierungen
3.1.2 Dauerbeobachtungsflächen
3.1.3 Flächendeckende Erfassung von Rote-Liste- und Zeigerarten
3.1.4 Bestandszählungen der Sumpfdotterblume (Caltha palustris)
3.1.5 Flächendeckende Erfassung von „Problemarten“
3.1.6 Zeigerwertberechnungen
3.1.7 Nomenklatur der Pflanzenarten, bestimmungskritische Sippen
3.2 Bodenkundliche und hydrologische Untersuchungen
3.2.1 Bodenkundliche Kartierung
3.2.2 Bodenchemische Untersuchungen
3.2.3 Hydrologische Erhebungen
3.3 Flächennutzung
3.4 Statistische Testverfahren
4 Die Böden des Untersuchungsgebietes
4.1 Moorstratigraphie, Moormächtigkeiten und sekundäre pedogene Prozesse
4.2 Bodenchemische Kennwerte
4.2.1 Lufa-Proben an den DBF 1999-2008 und eigene Untersuchungen 2008
4.2.2 Aktuelle Standortbedingungen 2008 in Relation zur Vegetationszonierung 1947/48
5 Hydrologie
5.1 Vernässungszonen
5.2 Grundwasserganglinien
5.3 Grabenwasserstände
5.4 Zusammenfassende Diskussion
6 Nutzung
6.1 Ackernutzung seit 1980
6.2 Entwicklung der Grünlandnutzung
6.3 Zusammenfassende Diskussion
7 Pflanzengesellschaften: Flächenbilanzen und Veränderungen über 60 Jahre
7.1 Räumliche Verteilung und Flächenbilanz der Pflanzengesellschaften 1947/48-2008
7.2 Konstanz und Dynamik der Pflanzengesellschaften 1987-2008
7.2.1 Gesamtbilanz
7.2.2 Entwicklungen ausgewählter Pflanzengesellschaften
7.3 Charakterisierung der Vegetation und Quantifizierung von Veränderungen anhand von mittleren Zeigerwerten 2000 und 2008
7.4 Zusammenfassende Diskussion
8 Vegetationsentwicklung in Dauerbeobachtungsflächen
8.1 Auswertung nach Zeigerwerten, Artenzahlen
8.2 Veränderungen einzelner Arten
9 Aktueller Artenreichtum: Einflüsse von Umweltfaktoren und Nutzungshistorie
9.1 Ermittlung von Einflussgrößen
9.2 Diskussion
10 Verbreitung und Bestandsveränderungen von Rote-Liste- und Zeigerarten 1987-2008
10.1 Überblick über die Vorkommen im Grünland
10.2 Vorkommen von Rote-Liste-Arten außerhalb des Grünlandes
10.3 Entwicklung ausgewählter Arten
10.4 Generelle Entwicklung des Artenkollektivs Rote-Liste- und Zeigerarten
10.5 „Problemarten“ für die Grünlandbewirtschaftung
11 Fazit und Ausblick
12 Zusammenfassung
13 Summary
14 Danksagung
15 Literatur

Die dieser Arbeit zugrunde liegende Dissertation von V. BLÜML finden Sie hier als Download (14 MB).

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Zusammenfassung
Nach etwa 35-jähriger Melioration sind in den letzten 25 Jahren in der Dümmerniederung insgesamt 2.500 ha Wirtschaftsgrünland bzw. zwischenzeitlich als Acker genutzte Niedermoorflächen in Extensivgrünland zurückgeführt und, über Stauwehre regelbar, gesteuert wiedervernässt worden. Vernässungs- und Bewirtschaftungsregime sind insbesondere eng an die Erfordernisse des Wiesenvogelschutzes, außerdem an die Entwicklung artenreichen Feuchtgrünlandes angepasst. Im Ochsenmoor südlich des Dümmers wurden die Maßnahmen auf etwa 1.000 ha deutlich früher abgeschlossen als in der westlichen Dümmerniederung und dabei langfristig dokumentiert. Das Ochsenmoor steht somit beispielhaft für die Untersuchung mittel- bis langfristiger Entwicklungen von Naturschutzmaßnahmen im Feuchtgrünland auf degenerierten Niedermoorstandorten. Der Ausgangszustand der Vegetation wenige Jahre vor den tiefgreifenden Meliorationsmaßnahmen Anfang der 1950er Jahre ist ebenso dokumentiert wie die Entwicklungen ab Ende der 1980er Jahre von zumeist intensiv genutzten und artenarmen Niedermoorgrünländern unter der Wirkung nachfolgender Aushagerung und Wiedervernässung. Hinzu kommen Dauerflächenuntersuchungen sowie flächendeckende Erfassungen von Rote- Liste- und Zeigerarten seit Mitte der 1990er Jahre.

Nach der Melioration sind bis Ende der 1980er Jahre 20 Vogelarten als Brutvogel verschwunden; von diesen sind seit Beginn der Naturschutzmaßnahmen 14 als Brutvögel zurückgekehrt. Die Brutbestände der Wiesenlimikolen wie auch deren Bruterfolge entwickeln sich positiv, so hat sich der Brutbestand der Uferschnepfe nach drastischem Rückgang wieder verdreifacht. Starke Zunahmen ergeben sich auch im Auftreten von Rastvögeln.

Die im Gebiet um 1950 großflächig ausgebildeten Sumpfdotterblumen- und Hundsstraußgraswiesen gingen bis Ende der 1980er Jahre sehr stark zurück, Pfeifengraswiesen und Borstgrasrasen verschwanden ganz. Infolge der ab dieser Zeit eingeleiteten Naturschutzmaßnahmen sind Äcker, Grünlandneueinsaaten und Queckenrasen wieder verschwunden. In erheblichem Umfang breiteten sich Flutrasen aus, daneben aber auch Schlankseggenriede. Rohrglanzgras- und Wasserschwadenröhrichte nahmen zwischenzeitlich deutlich zu, verschwanden aber durch Aushagerung wieder weitgehend. Sumpfdotterblumenwiesen konnten sich zwar aus verschiedenen Grünlandgesellschaften rückentwickeln, verschwanden aber andererseits durch sehr langen Überstau wie auch aus der nicht aktiv vernässten Randzone.

Mit fortgeschrittener Aushagerung, die vielfach bereits das Magerrasenniveau erreicht hat, haben kleinseggenreiche Hundsstraußgraswiesen wieder erheblich zugenommen. Historische Standortunterschiede, die sich an der Vegetationskarte von 1947/48 ablesen lassen, zeigen trotz tiefgreifender Melioration und jahrzehntelanger Intensivnutzung starke Einflüsse auf aktuelle bodenchemische Parameter und erklären die räumliche Ausbreitung einzelner Zielarten, allerdings weniger die Vegetationsentwicklung auf Gesellschaftsniveau.

Nahezu alle heute in der „Roten Liste“ Niedersachsens geführten Gefäßpflanzenarten, die im Ochsenmoor ab 1987 nachgewiesen wurden, sowie weitere Zeigerarten, die gemeinsam gleichzeitig als Zielarten des Naturschutzes gewertet werden können, zeigen eine starke Ausbreitung im Gebiet. Einzelne hochgradig gefährdete, großräumig verschollene Arten haben sich vereinzelt wieder etabliert. Das Auftreten der Zielarten ist vielfach mit zunehmender Aushagerung und Vernässung sowie der Extensivierungsdauer in Beziehung zu setzen.

Hinsichtlich der Grünlandbewirtschaftung unter naturschutzkonformen Bedingungen kommt der aktuellen Ausgestaltung der Nutzungsart überwiegend nur eine untergeordnete Rolle zu. Vorgezogene Schnitttermine, Mähweidenutzung und einzelne Nutzungswechsel limitieren den Regenerationserfolg nicht generell und waren phasenweise Voraussetzung für die notwendige Aushagerung. Einzelne gefährdete Arten des nährstoffreicheren Feuchtgrünlandes zeigen neuerdings wieder Rückgangstendenzen, die mit starker Aushagerung in Verbindung gebracht werden können.

Als „Problemart“ für die Grünlandbewirtschaftung ist insbesondere die Rasen-Schmiele (Deschampsia cespitosa) zu nennen, die sich vor allem auf den stark vererdeten bis vermulmten Standorten großflächig mit Dominanzbeständen etabliert hat. Diese sind besonders in lang anhaltend überstauten Bereichen teilweise wieder verschwunden, die Art geht neuerdings insgesamt wieder zurück. In Teilbereichen problematisch sind außerdem Flatter-Binse (Juncus effusus) sowie die Giftpflanze Sumpf-Schachtelhalm (Equisetum palustre).

Der Artenreichtum nimmt mit zunehmender Extensivierungsdauer langfristig zu. Pedogen sehr stark veränderte Standorte mit vermulmten Torfen weisen insgesamt geringere Artenzahlen in der aktuellen Vegetation auf.

Als wesentliche Erfolgsfaktoren sind eine großräumige und konsequente, der allgemeinen Eutrophierung entscheidend entgegenwirkende Aushagerung mit regelmäßiger Nutzung und eine großflächige, regelbare Vernässung zu benennen. Diese Naturschutzmaßnahmen waren durch Langfristigkeit, Konsequenz und gezielte Betreuung vor Ort geprägt und damit erfolgreich. Wichtige standörtliche Voraussetzung waren die mäßig bis stark vererdeten, aber überwiegend noch nicht vermulmten Niedermoorböden mit Restflächen artenreichen Feuchtgrünlandes und Refugialstandorten an Grabenrändern. Auf diesen war innerhalb von etwa 15 Jahren teils eine Regeneration, d.h. eine Wiederherstellung solcher Vegetationsbestände, mindestens aber eine Restitution (d.h. eine Annäherung an naturnähere Zustände) feuchter, nicht mehr ausgesprochen artenarmer Grünlandgesellschaften sowie eine Wiederbesiedlung und Ausbreitung durch teils gefährdete Feuchte- und Magerkeitszeiger möglich. Weitere Arten konnten sich offensichtlich durch Fernausbreitungsprozesse wieder etablieren.
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Summary
After a 35year period of amelioration, 2.500 hectares of farmed grassland and arable fields on former fen soil in the meadows of Lake Dümmer have over the past 25 years been re-converted into extensively managed grasslands with a subsequent restoration of the former water regime.

These restoration measures were carried out with special focus on the requirements of the protection of grassland birds and the development of species-rich wet grasslands. On about 1.000 hectares in the “Ochsenmoor” area south of Lake Dümmer, these measures, while being permanently documented, were concluded much earlier than in the western Lake Dümmer lowlands.

The Ochsenmoor thus offers an excellent opportunity of examining the long-term effects and success of nature conservation measures in wet grasslands on degenerated fen soils. The original situation shortly before the onset of intensive amelioration in the early 1950ies has been well documented, as has the development starting in the late 1980ies, when the intensively farmed and species-poor grasslands on former fen soils became subject to re-wetting and cut-backs on nutrient input. From the mid-1990ies, these processes were documented by monitoring permanent plots and by comprehensive surveys of the temporal changes of red list and indicator species.

20 breeding bird species left the Ochsenmoor because of amelioration and intensified land use until the end of the 1980ies; 14 of those species returned since the beginning of conservation efforts. Breeding populations and breeding success of waders show positive trends. For example, the breeding population of Black-tailed Godwits tripled again after a strong decrease. Numbers of resting birds on migration and during overwintering also strongly increased.

The Calthion (marsh marigold) meadows and Agrostis canina (brown bent) grasslands, still covering large areas in the early 1950ies, had receded considerably until the 1980ies, while Molinion (moor grass) meadows and Nardetalia (matgrass) communities had completely vanished. As a consequence of the onset of nature conservation measures in these years, arable fields, freshly sown grasslands and Elymus repens (couch grass) grasslands disappeared, while periodically flood grasslands became frequent. Temporarily, reeds of Carex acuta (acute sedge), Phalaris arundinacea (reed canary grass) and Glyceria maxima (reed manna grass) increased considerably, but disappeared again as nutrient levels decreased. Calthion meadows re-developed from various grassland communities, but declined again both from areas subject to long-term inundation and from areas which had not been subject to active re-wetting.

After the supply of nutrients had decreased further towards oligotrophic site conditions, Agrostis canina grasslands rich in small sedges increased considerably. Differences in site quality can be ascertained by a comparison with a vegetation survey of 1947/48. Despite intensive amelioration and decades of intensive agricultural use, the soil properties still exert a considerable influence on soil chemistry parameters and explain the spatial distribution of particular ‘target species’, if not the development of whole plant associations.

Almost all vascular plants that were recorded from the „Ochsenmoor“ area since 1987 and are red-listed in Lower Saxony show a high frequency in the area, as do other indicator species. Both groups together form the ‘target species’ of nature conservation measures. Noteworthy is that some highly vulnerable species that were extinct from the area and wider region have re-established in a number of sites, i.e. Bromus racemosus (hairy bromegrass) and Dactylorhiza incarnata (early marsh orchid). The emergence of these species may in many cases be related to decreased nutrient levels, re-wetting and low-intensity farming.

The currently practiced form of grassland management plays a minor role, as long as it conforms to nature conservation aims. Early mowing, low-intensity grazing and occasional changes in management do not necessarily limit the success of regeneration, and periodically were a prerequisite for nutrient-poor site conditions. Some vulnerable species typical of mesotrophic grasslands appear to show a decreasing trend, which indicates that nutrient levels continue to decrease.

An especially problematic species for grassland management is the tufted hairgrass (Deschampsia cespitosa) that has widely established as dominant species, especially on strongly mineralized or duff soils. On sites with long-lasting inundation, however, the species has partly vanished again. There seems to be a general recession of the species. Other problematic species in certain areas include common rush (Juncus effusus) and the poisonous marsh horsetail (Equisetum palustre).

Species diversity increases with the duration of low-intensity use. Sites in which the soil has undergone severe changes towards duff peat generally carry fewer species than sites with less affected soils.

Pre-requisites for a successful restoration are a continuous decrease in nutrients to counteract general eutrophication, consistent management targeted at the desired results and large-scale re-wetting.

Furthermore, restoration was facilitated by the fact that many peat soils were only moderately mineralized without having turned to duff fens, and that there were remnant areas of species-rich wet grassland and refugial sites on ditch shoulders.

In summary, over the course of 15 years, the nature conservation measures resulted in a partly successful regeneration of site conditions and a restitution of plant associations characteristic for wet grasslands. Remarkable was especially the re-establishment of species that have formerly gone extinct from the area, most likely due to far-distance dispersal.

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4/2012  
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