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Startschuss für die Aktualisierung der Roten Listen in Niedersachsen

Der Niedersächsische Weg unterstützt eine der Kernaufgaben der Fachbehörde für Naturschutz.


Die Erstellung Roter Listen ist eine der Kernaufgaben der Fachbehörde für Naturschutz im NLWKN.   Bildrechte: NLWKN
Die Erstellung Roter Listen ist eine der Kernaufgaben der Fachbehörde für Naturschutz im NLWKN.

Von Tanja Berlin, Sophie Kirberg und Leonard Schmalhaus

Es ist soweit! Die teilweise sehr in die Jahre gekommenen Roten Listen Niedersachsens werden in den kommenden Jahren verstärkt aktualisiert. Möglich gemacht wird dies durch den Niedersächsischen Weg und die darüber bereitgestellten Personal- und Sachmittel. Geplant ist neben der Fortschreibung der bestehenden Roten Listen auch die Erstellung neuer Listen für Organismengruppen, die bisher noch nicht eingestuft wurden. Die Umsetzung erfolgt durch den NLWKN in seiner Funktion als Fachbehörde für Naturschutz.

Als strukturreiches Flächenbundesland mit Küste, Tief- und Hügelland sowie unterschiedlichsten Habitaten im Offenland und Wald bietet Niedersachsen einer Vielzahl von seltenen Tier-, Pilz- und Pflanzenarten einen Lebensraum. Dazu gehören nicht nur weithin bekannte Säugetiere wie Luchs, Biber und Feldhamster, sondern auch andere weniger bekannte Arten wie der Große Puppenräuber, das Froschkraut oder die Arktische Smaragdlibelle. Eine Übersicht über die Artenvielfalt und ihre Bestandsentwicklung geben die landesweiten Roten Listen.

Gefährdete Arten in Niedersachsen: Feldhamster,...   Bildrechte: Jakob Fahr
Gefährdete Arten in Niedersachsen: Feldhamster,...
...Großer Puppenräuber...   Bildrechte: Thomas Huntke, wikimedia commons
...Großer Puppenräuber...
... und Schwimmendes Froschkraut.   Bildrechte: Ulrich Meyer-Spethmann
... und Schwimmendes Froschkraut.

Fast 50 Jahre ist es her, dass in Niedersachsen unter dem Titel „Verschollene und gefährdete Gefäßpflanzen in Niedersachsen“ der Vorläufer der landesweiten Roten Listen herausgegeben wurde. Regionale Publikationen mit Hinweisen auf den Rückgang und das Verschwinden von Arten hatte es zwar schon vorher gegeben, ein gebündeltes und kommentiertes Verzeichnis der Arten initiierte jedoch erst das Erscheinen des „Red Data Book“ der IUCN 1962. Mittlerweile umfassen die Roten Listen in Niedersachsen 22 verschiedene Artengruppen und liefern damit eine Gefährdungsbewertung für ca. 11.000 der schätzungsweise 40.000 heimischen Arten.

Als Fachgutachten sind Rote Listen nicht nur ein Gesamtverzeichnis mit Gefährdungseinstufung aller bekannten Arten einer Gruppe, sondern stellen auch eine Entscheidungshilfe und Argumentationsgrundlage für viele naturschutzfachliche Planungen dar. Rückgänge und negative Bestandstrends können so konkreten Handlungsbedarf und Schutzbedürftigkeit aufzeigen, während gleichbleibende oder zunehmende Bestände Erfolge von Naturschutzmaßnahmen, gezieltem Flächenmanagement und Artenschutzkonzepten belegen können. Gleichzeitig sind Rote Listen durch eine mittlerweile lange Tradition weithin etabliert. Sie machen die Bevölkerung auf die Gefährdungssituation der heimischen Flora und Fauna sowie auf Defizite im Naturschutz aufmerksam und sensibilisieren somit auch für die Ziele des Naturschutzes.

Damit Rote Listen in Naturschutzhandeln, Politik, Öffentlichkeitsarbeit und Forschung Anwendung finden können, müssen sie aktuell und fachlich fundiert sein. Dies wurde im Rahmen des Niedersächsischen Weges nun erstmalig auch gesetzlich festgelegt (§ 2 b NAGBNatSchG). Als Fachbehörde für Naturschutz hat der NLWKN den Auftrag, Verzeichnisse ausgestorbener, verschollener und gefährdeter Tier-, Pflanzen- und Pilzarten zu erstellen und so zur Verwirklichung der Ziele des Naturschutzes in Niedersachsen beizutragen. Für die fachliche Umsetzung und Koordination dieser Aufgaben wurden im NLWKN nun drei zusätzliche und derzeit befristete Stellen geschaffen. Seit Ende 2021 verstärken Sophie Kirberg (Rote Listen der Säugetiere, Amphibien und Reptilien), Tanja Berlin (Rote Listen der Wirbellosen) und Leonard Schmalhaus (Rote Listen der Pflanzen und Großpilze) das Team des landesweiten Artenschutzes in Hannover. Die Bearbeitung der Roten Liste der Brutvögel liegt weiterhin bei der Staatlichen Vogelschutzwarte im NLWKN. Zuständig für die Liste der Fische, Rundmäuler und Krebse ist das Dezernat Binnenfischerei im Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (LAVES).

Um die Vergleichbarkeit der Listen untereinander, aber auch mit denen des Bundes zu erhöhen, erfolgt die Konzeption und Erstellung aller Roten Listen nach der standardisierten Methodik des Bundesamtes für Naturschutz. Die Gefährdungseinstufung der Arten richtet sich dabei nach einem vorgegebenen Schema unter Berücksichtigung der aktuellen Bestandsituation einer Art, der Entwicklung über die letzten 10 bis 25 Jahre (kurzfristiger Trend) und dem Vergleich mit historischen Daten (langfristiger Trend). Über Experteneinschätzungen können zusätzlich aktuelle oder absehbare Risiken für den Artenbestand wie z. B. Grundwasserabsenkungen, Bindung an seltener werdende Futterpflanzen oder Klimaveränderungen bei der Gefährdungsbeurteilung berücksichtigt werden.

Damit Rote Listen als standardisiertes und effizientes Mittel für den Naturschutz genutzt werden können, sind neben Experten mit jahrelanger Erfahrung vor allem belastbare Angaben über Vorkommen und Bestandsentwicklung heimischer Arten unerlässlich. Dies spiegelt sich auch im Leitsatz „Arten brauchen Daten“ der Niedersächsischen Pflanzen-, Tier- und Vogelarten-Erfassungsprogramme wider. Anders als physikalische Daten zu Wasser, Luft oder Temperatur können Artendaten meist nicht über automatisierte Messsysteme erhoben werden, sondern stützen sich auf die Beobachtungen hunderter amtlicher und vor allem ehrenamtlicher Kartiererinnen und Kartierer in Niedersachsen. Nur durch dieses Engagement können Arten langfristig systematisch erfasst werden und eine Grundlage für die Gefährdungseinstufung nach der bundesweiten Methodik bilden.

Möglichkeiten für die Erfassung bietet neben den (digitalen) Meldebögen der Erfassungsprogramme für Tiere und Pflanzen vor allem das das Niedersächsische Webbasierte Artenerfassungs-Portal NIWAP. Naturkundige können hier ihre Daten dem NLWKN zur Verfügung stellen und damit auch über den persönlichen Bereich hinaus einen Beitrag zum landesweiten Artenschutz beispielsweise in Form von Roten Listen leisten.


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Hintergrundinformationen

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Beispielhafte Portraits für drei gefährdete Arten

Gefährdete Arten in Niedersachsen: Feldhamster,...   Bildrechte: Jakob Fahr
Feldhamster

Feldhamster

  • Rote Liste Deutschland: „Vom Aussterben bedroht“ (1)
  • Rote Liste Niedersachsen & Bremen: „Stark gefährdet“ (2)
  • Aussehen: Eines der größten heimischen Nagetiere mit bis zu 35 cm Größe, 500 g Gewicht und auffallend buntem Fell; es gibt aber auch fast komplett schwarze Feldhamster in Thüringen.
  • Lebensraum: ehemals typischer Kulturfolger der Agrarlandschaft bei geeigneten Löss- und Lehmböden, in denen er bis zu 2 m tiefe Baue anlegt
  • Verbreitung: in Niedersachsen vor allem in den Hildesheimer und Braunschweiger Börden

Für diese streng geschützte FFH-Art, deren Populationen in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch eingebrochen sind, hat Niedersachsen eine besonders hohe Verantwortung, da es hier einige der letzten Vorkommen in Deutschland gibt. Im Feldhamsterschutz engagieren sich derzeit niedersächsische Naturschutzbehörden, Ökologische Stationen, Ehrenamtliche und das Projekt "Feldhamsterland“.

...Großer Puppenräuber...   Bildrechte: Thomas Huntke, wikimedia commons
Großer Puppenräuber

Großer Puppenräuber

  • Rote Liste Deutschland: „Stark gefährdet“ (2)
  • Rote Liste Niedersachsen & Bremen: „Vom Aussterben bedroht“ (1)
  • Aussehen: bis zu 2,8 cm großer und prächtiger Käfer mit metallisch schillernder Färbung
  • Lebensraum: vor allem Laubwälder, aber auch Kiefern- und Fichtenforste
  • Verbreitung: ehemals in Norddeutschland verbreitet, aber in Niedersachsen seit Jahren kaum noch anzutreffen

Zu den bevorzugten Beutetieren des großen Puppenräubers gehören von der Forstwirtschaft gefürchtete Falterarten wie Eichenprozessionsspinner oder Schwammspinner, die aufgrund ihrer Brennhaare von vielen anderen Tieren gemieden werden. Bereits Anfang des 20. Jahrhunderts wurden 6.000 Käfer als Reaktion auf Schwammspinner-Plagen nach Amerika eingeführt. Die biologische Schädlingsbekämpfung durch Puppenräuber als umweltverträgliche Alternative zu Insektiziden wird derzeit wieder verstärkt diskutiert (z. B. Schweiger et al. 2020).

... und Schwimmendes Froschkraut.   Bildrechte: Ulrich Meyer-Spethmann
Schwimmendes Froschkraut

Schwimmendes Froschkraut

  • Rote Liste Deutschland: „Stark gefährdet“ (2)
  • Rote Liste Niedersachsen & Bremen: „Stark gefährdet“ (2)
  • Aussehen: 10-40 cm große Wasserpflanze mit ovalen Schwimmblättern und weißen Blüten
  • Lebensraum: flach überflutete, zeitweilig trockenfallende Ufer nährstoffärmerer Gewässer
  • Verbreitung: Diese auf Europa beschränkte Art findet sich in Deutschland nur sehr zerstreut mit einem Schwerpunkt im westlichen Niedersachsen.

Das Froschkraut ist sehr konkurrenzschwach und wird bei zunehmender Eutrophierung rasch von anderen Arten verdrängt. Die größten deutschen Vorkommen dieser streng geschützten FFH-Art befinden sich in Niedersachsen, woraus eine hohe Verantwortung für den Erhalt der Bestände resultiert. Das Froschkraut ist eine von 10 Fokus-Arten im EU-geförderten Projekt „Atlantische Sandlandschaften“.


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