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Wangerooge: Komplexer Küstenschutz unter schwierigen Rahmenbedingungen

Luftbild der Insel Wangerooge   Bildrechte: NLWKN
Wangerooge aus der Luft. Die ostfriesische Insel stand in den vergangenen Jahren im Fokus umfangreicher Küstenschutzvorhaben.

Von Prof. Frank Thorenz

Fehlhöhen im Deich von bis zu 1,4 Metern, eine schwache Kleiabdeckung, Anlagen in der Deichlinie, die dem modernen Inselschutz nicht mehr genügten und fehlende Deichverteidigungswege – dies war die Ausgangslage, als im Frühjahr des Jahres 2014 auf Wangerooge eine der komplexesten Deichverstärkungsmaßnahmen der vergangenen Jahre begann.

Bis zum Herbst 2019 erhöhte und verstärkte die Betriebsstelle Norden-Norderney des NLWKN den Dorf- und Ostgrodendeich, der die Ortslage der Insel vor Überflutungen schützt, auf einer Länge von mehr als drei Kilometern. Weiterhin wurden die fehlenden Deichverteidigungswege angelegt und das Deichschart der Inselbahn sowie ein Schöpfwerk erneuert. Neben 120.000 Kubikmeter Klei und 20.000 Tonnen Schüttsteinen mussten dafür 17.000 Quadratmeter Pflaster verbaut und insgesamt rund 30 Millionen Euro in den Schutz der Insel investiert werden.

Die Insel Wangerooge ist nur tideabhängig zu erreichen. Eine besondere Herausforderung bildete deshalb die Baustellenlogistik, da alle Baumaterialien vom Festland auf die Insel transportiert werden mussten. Klei und Schüttsteine konnten zudem nicht über die Inselbahn weiter transportiert werden, da deren Kapazitäten nicht ausreichten. Deshalb wurde das Material im Hafen Harlesiel auf Pontons umgeschlagen und über die Hochwasserzeit bis in das Watt vor Wangerooge verbracht. Während der Niedrigwasserzeit erfolgte die Entladung und der Weitertransport mit geländegängigen Fahrzeugen zu den jeweiligen Einbaustellen. Hierzu wurde über drei Jahre jeweils im Sommerhalbjahr eine durch das Watt verlaufende knapp zwei Kilometer lange, ca. 40 cm erhöhte Fahrtrasse aus Sand errichtet, die seitlich über Geotextilien eingefasst war. Diese Bauweise ermöglichte einen vollständigen Rückbau, so dass sich das Watt anschließend wieder natürlich entwickeln konnte.

Bei der Planung und Umsetzung der Maßnahme wurde der Lage des Deiches unmittelbar am bzw. im Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer und dem Vorkommen schützenswerter Arten besonders Rechnung getragen. So wurden in der Summe keine neuen Salzwiesenflächen beansprucht, seltene Orchideenbestände gesichert und der ökologische Wert des Ostinnengrodens durch Reliefumgestaltung und Verbesserung der Standortbedingungen für standorttypische Flora und Fauna erhöht.

Eine besondere Stellung im Bauablauf nahm das Jahr 2015 ein, in dem neben der Fortsetzung des Deichbaus auch die Erneuerung des Bahnscharts sowie des Schöpfwerkes stattfanden. Die Bahnverbindung vom Hafen zum Ort bildet eine wichtige Versorgungslinie für Personen- und Gütertransporte, allerdings stellte das alte Bahnschart eine Schwachstelle in der Deichlinie dar. Mit vier Metern Höhe und einer Länge von 47 Metern ist das neue Schart doppelt so hoch wie sein Vorgängerbau und 12 Meter länger. Zudem wird es an der Südseite in Sturmfluten durch einen Wellenbrecher geschützt. Der Neubau erfolgte weitestgehend bei laufendem Bahnbetrieb, wobei viele Fertigteile zum Einsatz kamen und das neue Gleisbett in den Nachtstunden erstellt wurde.

Ebenfalls 2015 erfolgte die Anpassung des Schöpfwerkes im Inselosten an moderne Erfordernisse. Da die Höhenlagen der Insel kein Sielen zulassen, wurde die neue Anlage auf eine Kapazität von 600 Litern pro Sekunde ausgebaut und durch ein Speicherbecken ergänzt. Zudem wurden die Wehre im Binnendeichgraben durch Sohlgleiten ersetzt, um der ökologischen Durchgängigkeit der Inselgewässer Genüge zu tun.

Über rund fünf Jahre setzte die Betriebsstelle Norden-Norderney in enger Abstimmung mit der Inselgemeinde, dem Landkreis Friesland, der Nationalparkverwaltung und den Verbänden eine Planung um, die dabei nicht nur den Belangen des modernen Küstenschutzes, sondern auch dem Wert des Naturraumes Wattenmeer Rechnung trägt.

Impressionen von den mehrjährigen Arbeiten auf Wangerooge.

Bei den Arbeiten wurde auf eine Umsetzung im größtmöglichen Einklang mit den besonderen Bedingungen in diesem wertvollen Naturraum geachtet. Diese Orchideen konnten durch Umsiedlung gesichert werden.   Bildrechte: NLWKN
Bei den Arbeiten wurde auf eine Umsetzung im größtmöglichen Einklang mit den besonderen Bedingungen in diesem wertvollen Naturraum geachtet. Diese Orchideen konnten durch Umsiedlung gesichert werden.
Der für die Materialanlieferung geschaffene Damm im Watt wurde nach Abschluss der Arbeiten wieder zurückgebaut.   Bildrechte: NLWKN
Der für die Materialanlieferung geschaffene Damm im Watt wurde nach Abschluss der Arbeiten wieder zurückgebaut.
Materialumschlag im Watt.   Bildrechte: NLWKN
Materialumschlag im Watt.
Wird den Anforderungen des modernen Küstenschutzes wieder gerecht: Der fertige Neubau des Bahnscharts in der Deichlinie.   Bildrechte: NLWKN
Wird den Anforderungen des modernen Küstenschutzes wieder gerecht: Der fertige Neubau des Bahnscharts in der Deichlinie.
Der Materialumschlag für die Projekte auf der Insel fand im Watt vor Wangerooge statt.   Bildrechte: NLWKN
Der Materialumschlag für die Projekte auf der Insel fand im Watt vor Wangerooge statt.
Auch das Bahnschart in der Deichlinie musste im Rahmen des Vorhabens neu errichtet werden.   Bildrechte: NLWKN
Auch das Bahnschart in der Deichlinie musste im Rahmen des Vorhabens neu errichtet werden.
Erstelliung des Fußdeckwerkes auf Wangerooge. Im Hintergrund bereits erkennbar: Der fertiggestellte Deich.   Bildrechte: NLWKN
Erstelliung des Fußdeckwerkes auf Wangerooge. Im Hintergrund bereits erkennbar: Der fertiggestellte Deich.

Artikel-Informationen

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