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Küstenschutz: Unruhige Sturmflutsaison sorgt für kurzfristigen Handlungsbedarf auf den Inseln

Rückblick Sturmflutsaison 2019/2020 // Aktuelle Küstenschutzbaustellen und Maßnahmen an landeseigenen Anlagen


Deichvorland mit Salzwiesen bei Sturm   Bildrechte: NLWKN/Lippe

Von Petra Henken, Heiko Knaack, Andreas Müller, Karsten Petersen, Thomas Schoneboom, Frank Thorenz und Heiko Warnecke

2019 war hinsichtlich der Sturmflutaktivität ein eher ruhiges Jahr mit einigen leichten und – im Bereich der Ems - einer schweren Sturmflut. Das neue Jahr änderte dieses Bild grundlegend. Eine Wetteränderung bescherte der niedersächsischen Küste ein ungemütliches Frühjahr 2020 - mit Konsequenzen für den Küstenschutz: Auf Juist, Langeoog und Wangerooge identifizierte der NLWKN nach Ende der Sturmflutsaison konkrete Handlungsbedarfe. Vor allem die Insel Langeoog steht im Sommer 2020 entsprechend im Fokus der Küstenschützer. Und auch auf dem Festland sollen zahlreiche Maßnahmen dazu beitragen, das hohe Schutzniveau für Niedersachsen auch langfristig zu sichern.

Bereits im September und damit vergleichsweise früh hatte die Sturmflutsaison 2019/2020 ihre ersten Vorboten geschickt. Folgenreich für den Küstenschutz war aber vor allem die veränderte Wetterlage, die sich ab Januar 2020 einstellte: Ein Sturmtief folgte dem anderen – eine hohe Anzahl leichter Sturmfluten insbesondere im Februar 2020 war die Folge. Als besonders markant erwiesen sich dabei die Tage vom 10. bis 13. Februar. Mit örtlich bis zu sechs unmittelbar aufeinander folgenden Sturmtiden, von denen eine wiederum im Bereich der Ems und in der Elbemündung als schwere Sturmfluten zu klassifizieren war, sorgten sie für Wasserstände von bis zu zwei Metern über dem mittleren Tidehochwasser. Dünenabbrüche und Strandrückgänge auf allen Ostfriesischen Inseln waren die Folge.

Sturm im Hafen von Norddeich   Bildrechte: NLWKN/Lippe
Die ungewöhnliche Kettentide im Februar führte – wie hier im Hafen Norddeich – zu erhöhten Wasserständen. Auf den Inseln sorgte die schnelle Folge überwiegend leichter Sturmfluten für Sandverluste.


Eine solche Sturmtidenkette ist ungewöhnlich, aber nicht vollkommen neu: Vom 2. bis 4. Januar 1922 traten ebenfalls sechs Sturmtiden hintereinander auf, vom 26. Februar bis 2. März 1990 sogar acht und vom 13. bis 16. Dezember 2000 wiederum sechs Sturmtiden. Eine grundsätzliche Häufung von Sturmfluten aufgrund des Klimawandels ist anhand der Aufzeichnungen des vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Ems-Nordsee betriebenen Pegels Norderney, wo seit mehr als 100 Jahren der Wasserstand erfasst wird, bisher nicht zu erkennen.

Grafik der Sturmtidenhäufigkeiten am Pegel Norderney   Bildrechte: Forschungsstelle Küste/NLWKN
Sturmtidenhäufigkeiten – gemessen am Pegel Norderney. Der Vergleich der Datenreihen aus über 100 Jahren zeigt: Die Sturmfluthäufigkeit schwankt hier bisher ohne klare Tendenz.

Handlungsbedarfe auf den Inseln – Langeoog im Fokus

Für das schmale Zeitfenster, das während des Sommerhalbjahrs für umfangreiche Küstenschutzmaßnahmen zur Verfügung steht, blieb die vergangene unruhige Sturmflutsaison nicht folgenlos: Auf Grundlage sorgfältiger Analysen der aktuellen Situation der Schutzdünen erstellt die NLWKN-Betriebsstelle Norden-Norderney jedes Jahr im Frühjahr ein detailliertes Lagebild für jede der sieben Ostfriesischen Inseln. Basierend auf dem festgestellten Bedarf rücken 2020 die Inseln Juist, Langeoog und Wangerooge besonders in den Blick.

So muss auf Juist im Bereich der Bill eine kleinräumige Dünenlücke geschlossen werden, um den Sturmflutschutz hier wieder vollständig herzustellen. Rund 18.000 Kubikmeter Sand sollen dabei helfen, die vorhandene Schutzdünenstrukturen zu verstärken und zu schließen. Die Arbeiten sollen im Sommer nach der Brutzeit beginnen und bis zum Herbst abgeschlossen sein.

Auf Langeoog steht die Schutzdüne vor dem Pirolatal seit langem im Fokus des Küstenschutzes - litt dieser Inselbereich doch bereits in den vergangenen Jahren zunehmend unter Sandmangel. Zuletzt waren 2017 und 2018 der Strand zum Ausgleich der fehlenden Sandmengen sowie ein Sanddepot zum Schutz der Düne aufgespült worden. Durch das jüngste Sturmflutgeschehen wurde der eingebrachte Sand inzwischen auf einer Länge von rund 700 Metern vollständig abgetragen. Seit Juli ist deshalb eine Aufspülung auf einer Länge von knapp zwei Kilometern im Gange. Im Rahmen der Maßnahme sollen insgesamt mehr als 700.000 Kubikmeter Sand eingespült werden. Dabei machen sich die Küstenschützer das Prinzip des Bauens mit der Natur (building with nature) zu Nutze. Es ist weltweit als besonders nachhaltiges Küstenschutzkonzept für derart sensible Bereiche wie die ostfriesischen Inseln bekannt.

Auch auf Wangerooge findet das bewährte Schutzkonzept Anwendung: Hier hatten die Sturmfluten des vergangenen Winters das vorgelagerte Sanddepot im Bereich der Nordostdünen auf Höhe des Strandübergangs Bootsweg in großen Teilen abgetragen. Die erforderliche Einbaumenge hier beträgt rund 30.000 Kubikmeter Sand. Wie immer gibt die Natur bei diesen und allen weiteren Vorhaben des Küstenschutzes den Zeitplan vor: Rechtzeitig vor der Sturmflutsaison im Herbst müssen alle Arbeiten abgeschlossen sein.

Luftbild zur geplanten Aufspülungsfläche   Bildrechte: NLWKN
Der Einbaubereich des neuen Sanddepots auf Langeoog: Mittels einer Spülleitung gelangt das Material zur Einbaustelle vor dem Pirolatal, wo sich der Sand ablagert. Hier wird er mit Planierraupen weiter verteilt und profiliert.

Küstenschutz auf dem Festland: Aktuelle Deichbaustellen und Vorhaben an landeseigenen Anlagen

Dies trifft auch auf Vorhaben am Festland zu: Hier ist der NLWKN neben Projekten an landeseigenen Küstenschutzanlagen vor allem als Partner der 22 Deichverbände im Bereich Planung und Bau aktiv. In Ostfriesland wird im Sommer 2020 dabei unter anderem die Erhöhung und Verstärkung der Deiche zwischen Manslagt und Upleward für die Deichacht Krummhörn fortgesetzt. Einen zweiten Schwerpunkt in der Region bildet die Ertüchtigung der Deckwerke für die Deichacht Norden. Am Jadebusen erfolgt der Neubau des Jade-Wapeler Siels für den II. Oldenburgischen Deichband. Hintergrund sind die anstehenden Deicherhöhungen in diesem Gebiet: Das vorhandene Altbauwerk kann die hieraus resultierenden zusätzlichen Lasten nicht mehr aufnehmen. Im Zusammenhang mit dem Neubau soll auch eine Neutrassierung des sich östlich anschließenden Deichabschnittes auf einer Länge von rund 600 Metern erfolgen. Im laufenden Baujahr 2020 steht hier neben der Tiefgründung im Bereich des Deichkörpers der eigentliche Deichbau auf den Übergangsbereichen und zwischen Sielbau- und Mündungsschöpfwerk im Fokus.

An der Weser wird auf Basis von Planungen des NLWKN die Erhöhung und Verstärkung des Weserdeiches zwischen Berne-Ohrt und Ranzenbüttel für den I. Oldenburgischen Deichband vorangetrieben. Weiter südlich erfolgt die Nacherhöhung des rechten Weserdeiches im Gebiet des Deichverbandes Osterstader Marsch. Bereits im vergangenen Jahr wurde hier auf der rund 500 Meter langen Baustrecke mit der Grobprofilierung des Deiches begonnen. Nach der Baupause während der Sturmflutsaison wird 2020 der Unterbau des Deichverteidigungswegs und des Treibselräumwegs hergestellt. Im Zuge der Nacherhöhung wird auch die Deichüberfahrt an die neue Deichhöhe angepasst. Der Abschluss der Arbeiten ist für September vorgesehen.

An der Elbe leitet der Landesbetrieb unter anderem für den Artlenburger Deichverband die Verstärkung des Hauptdeiches in der Ortschaft Rönne. Darüber hinaus steht die Instandsetzung von 6,5 Kilometern Elbedeckwerke auf dem Programm.

Im Bereich der landeseigenen Anlagen wird noch in diesem Jahr unter anderem mit der Grundinstandsetzung und Nacherhöhung des landeseigenen Ilmenausperrwerkes begonnen. Das Land investiert hier knapp 12 Millionen Euro in den Küstenschutz für die Flussgebiete Ilmenau und Luhe. Der Nacherhöhungsbedarf liegt bei knapp 80 Zentimetern. Größte Küstenschutzbaustelle des Landes Niedersachsens bleibt auch 2020 der Neubau der Hadelner Kanalschleuse in Otterndorf: Das Großvorhaben, die weiterhin voll im Zeitplan liegt und bis 2022 abgeschlossen werden soll, wird den Küstenschutz in der Region auf einem zukunftssicheren Niveau sicherstellen. Im Rahmen der vierten von insgesamt sieben Bauphasen stehen im Sommer 2020 hier vor allem Stahlbetonbauarbeiten im Bereich der künftigen Schleusenkammer im Fokus.

61,6 Millionen Euro für den Küstenschutz

Für Investitionen in den Schutz der niedersächsischen Küste und Inseln stehen 2020 insgesamt 61,6 Millionen Euro zur Verfügung. 33,1 Millionen Euro fließen dabei im Rahmen der gemeinsamen Bewältigung des Küstenschutzes in Vorhaben der Deichverbände. Für die vom NLWKN koordinierten landeseigenen Vorhaben an der Festlandsküste stehen 18,4 Millionen Euro bereit, die unter anderem in den Neubau der Hadelner Kanalschleuse investiert werden. Für Küstenschutzprojekte auf den Inseln werden in diesem Jahr insgesamt rund 9 Millionen Euro investiert.

2019 waren in Niedersachsen knapp 63,6 Millionen Euro in Küstenschutzmaßnahmen geflossen. Die eingesetzten Gelder werden im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes von Land (30 %) und Bund (70 %) bereitgestellt. Mit den Mitteln konnten insgesamt 137 Vorhaben entlang der niedersächsischen Küstenlinie realisiert werden.

Betongussarbeiten an der Schleusenkammer in Otterndorf: Betonmischer fahren heran, um den Beton in die Baugrube zu gießen.   Bildrechte: NLWKN/Kosch & Westermann
Blick in die Baugrube der Hadelner Kanalschleuse: Wo nach Fertigstellung der Anlage Nordseewasser stehen soll, wurden im Mai 2020 insgesamt 1.300 Kubikmeter Beton eingegossen (Bild NLWKN).

Küstenschutz in Niedersachsen...

...ist eine gemeinsame Kraftanstrengung des Bundes, des Landes Niedersachsen und der 22 Deichverbände, die für die Erhaltung der Hauptdeiche zuständig sind.

Die Beobachtung und Bewertung der Veränderungen der Küstenlinie, die strategische Fortschreibung der Planungen, die Begleitung von Forschungsvorhaben und die Umsetzung innovativer Ansätze sind neben der Planung und Durchführung konkreter Schutzmaßnahmen wichtige Bestandteile der Arbeit des NLWKN als Küstenschutzbehörde.

Artikel-Informationen

Nds. Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz
Göttinger Chaussee 76a / Am Sportplatz 23
30453 Hannover / 26506 Norden
Tel: +49 (0)511 3034-3322 sowie +49 (0)4931/ 947 -173 und +49 (0)4931/ 947 -181
Fax: +49 (0)4931/947 - 222

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