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A-KÜST - Veränderliches Küstenklima – Evaluierung von Anpassungsstrategien im Küstenschutz

Stürme, Sturmfluten und Seegang stellen Naturgewalten dar, die das Leben in den Küstenregionen der Nordsee prägen und die Sicherheit sowohl auf See als auch im Küstenbereich nachhaltig beeinflussen. Im Fall einer globalen Erwärmung kann es zu langfristigen Änderungen in der Sturmaktivität in der Nordsee und damit verbunden zu langfristigen Änderungen in der Wasserstands- und Seegangsstatistik kommen, wodurch sich das Gefährdungspotential auf See und für die Küsten möglicherweise erhöht.


Angesichts der erwarteten Folgen des Klimawandels stehen die Küstenregionen weltweit vor besonderen Herausforderungen. Der Insel- und Küstenschutz in Niedersachsen richtet sich seit 1.000 Jahren darauf aus, den Menschen in sturmflutgefährdeten Gebieten Sicherheit für Leib und Leben sowie für den Erhalt der Lebensgrundlagen zu gewährleisten. Insel- und Küstenschutz bieten heutzutage die Grundlage für Leben und Wirtschaften von etwa 1,2 Mill. Menschen und mehr als 12 Mrd. € Einheitswerte in Niedersachsen. Damit werden auch mittelbar Gebiete in den benachbarten Bundesländern Bremen und Hamburg sowie in den Niederlanden geschützt.

Im Forschungsthema A-KÜST des Verbundprojektes KLIFF - Klimafolgenforschung in Niedersachsen wurden vier Themenfelder untersucht:

1. Evaluierung von Anpassungsstrategien im Küstenschutz und Belastungen von Küstenschutzwerken

2. Sozialwissenschaftliche Bewertung der Anpassungsstrategien im Küstenschutz

3. Morphologische Veränderungen in der Leybucht sowie Hydrodynamik und Sedimenttransport im Ostfriesischen Wattenmeer

4. Entwicklung des Weserästuars

Im Rahmen des Forschungsthemas A-KÜST wurden daher im Zusammenhang mit der Evaluierung von Küstenschutzstrategien Berechnungsergebnisse globaler Klimarechenläufe regionalisiert, d. h. einer Nutzung auf regionalen räumlichen Skalen zugänglich gemacht.

Diese wurden anschließend als Eingabegrößen für eine ganze Kaskade weiterer numerischer Modelle für Wasserstände, Strömung und Seegang, sowie auch für morphodynamische Berechnungen verwendet.

Basierend auf diesen Daten wurden dann a) Anpassungsstrategien und b) auf die morphologische Reaktion des Wattenmeeres geschlossen.

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Aufbau des Forschungsthemas A-Küst und Eingliederung in der Verbundprojekt KLIFF

Der Forschungsschwerpunkt bei der Forschungsstelle Küste lag dabei auf Teilprojekt 3 „Belastungen von Küstenschutzwerken bei Klimaänderungen und alternative Strategien im Insel- und Küstenschutz“. Hier wurden exemplarisch für die niedersächsische Niederungsküste im Bereich der Rheider Deichacht Alternativen im Vergleich zum derzeit praktizierten Küstenschutz untersucht.

Im Arbeitspaket wurden die Konsequenzen alternativer Strategien im Vergleich zum traditionellen, linienhaften Schutz untersucht. Hierzu wurden mehrere Klimaänderungsszenarien in Form hydrodynamischer Belastungen zugrundegelegt und mit dem Maßstab gleicher Sicherheit für die zu schützenden Gebiete nach objektiven Kriterien evaluiert. Dazu wurde die heutige Bemessungspraxis in Niedersachsen zugrundegelegt.

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Untersuchte Küstenschutzstrategien im Forschungsthema A-KÜST

Rückzug

Der Rückzug aus allen sturmflutgefährdeten Gebieten an der Küste und an den Tideästuarien beinhaltet die Aufgabe so großer Siedlungs- und Wirtschaftsräume, dass sie nur dann volkswirtschaftlich gerechtfertigt erscheint, wenn Belastungen aus Klimaänderungsfolgen keine entsprechenden sicheren technischen Lösungen entgegengestellt werden können.

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Überflutungsbereiche nach Umsetzung der Strategie Rückzug aus sturmflutgefährdeten Gebieten

Unabhängig vom Meeresspiegelanstieg ist das niedersächsische Niederungsgebiet bereits heute gefährdet. Ohne den Küstenschutz würde die Nordsee bei jeder Flut (2x täglich) ins Hinterland vordringen. Bei schweren Sturmfluten ist die oben gezeigte grüne Fläche durch die Deichlinie geschützt. Ein ansteigender Meeresspiegel verschärft diese Situation kaum, da an den Geestrücken vergleichsweise kleine Überflutungsflächen hinzukommen.

Anpassung

Warften oder Wurten, die historischen Anpassungsmaßnahmen von Siedlungs- und Wirtschaftsräumen an Sturmflutwasserstände scheiden heute weitestgehend aus. Denn sowohl bei der Erhöhung noch bestehender Warften als auch bei der Neuschaffung von Warften wird eine vollständige Neuerrichtung der gegen Sturmfluten zu sichernden Infrastrukturen erforderlich. Diese Alternative ist für die absehbaren Bedrohungsszenarien in seiner volkswirtschaftlichen Gesamtbilanz im Vergleich zur Strategie Schutz ausgesprochen negativ. Bestehende Siedlungen und Wirtschaftsstandorte separat einzudeichen (Ringdeiche), verkürzt die derzeitige Deichlinienlänge nur geringfügig.

Rückdeichung

Mittels Rückdeichung wird die Reduzierung hydrodynamischer Beanspruchungen gegenüber dem gegenwärtig praktizierten linienhaften Schutz unmittelbar an der Küstenlinie angestrebt. Die vielfach vorgeschlagene Alternative zum derzeitigen Schutzkonzept geht einerseits von einer Absenkung der Sturmflutwasserstände durch eine Entlastung über das ins Landesinnere eindringende Wasservolumen aus sowie andererseits von einer Dämpfung des Seegangs auf der Laufstrecke bis zum rückverlegten Deich. Durch eine Kombination verschiedener Effekte, die durch die Rückverlegung des Deichs zustande kommen, bedarf es einer höheren und breiteren Dimensionierung des neuen Bauwerks, verglichen mit der heutigen Deichlinie. Diese Effekte sind zum einen stauwirksame, verglichen mit dem offenen Küstenvorfeld, geringere Wassertiefen unmittelbar vor dem Bauwerk. Zum anderen sind es die erhöhte Anfachung des Seegangs infolge des verlängerten Windwirkwegs sowie eine zunehmende Wassertiefe, bedingt durch abfallende Geländehöhen der eingedeichten Polder.

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Links: Dreidimensionale Darstellung des Untersuchungsgebietes mit der derzeitigen Hauptdeichlinie und ehemaligen Deichlinien. Rechts: Anstieg der Wasserspiegellage und der signifikanten Wellenhöhe Hm0 bei einer Rückverlegung der Deichlinie.

Staffelung

Der Schutzform „Staffelung“ liegt die Idee zugrunde, die Aufnahme der Belastungen aus Seegang und Wasserständen auf zwei nacheinander angeordnete Bauwerke zu verteilen: Vorgelagert wird ein wellenbrechender Deich, der den Seegang so weit dämpft, dass seine Wirkung an dem nachgeordneten wasserstandskehrenden Deich hinreichend gering ist, um ihn materialsparend mit steileren Böschungen auszustatten. Modellierungen mit wirklichkeitsgetreuer Konkretisierung zeigen: Die Reduktion des Bemessungswellenauflaufs durch den vorgelagerten Wellenbrecher am wasserstandskehrenden Deich ist in allen untersuchten Fällen zu gering, als dass das Ziel der Materialeinsparung erreicht werden kann. Die erforderlichen Abmessungen des Wellenbrechers und des nachgelagerten wasserstandskehrenden Deichs fallen im Vergleich zum konventionellen Deich größer aus.

Die Ergebnisse flossen u.a. in die „Empfehlung für eine niedersächsische Anpassung an die Folgen des Klimawandels“ und die hieraus abgeleitete Niedersächsische Umsetzungsstrategie für die Anpassung an den Klimawandel ein.

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