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Erhaltung gefährdeter Nutztierrassen am Beispiel der Arche-Region Flusslandschaft Elbe (ARFE)

Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen
Heft 3/19
, 52 S., 4,- €, Download als PDF in der Infospalte

Hier steht Ihnen eine aktualisierte Karte "Gefährdete regionaltypische Nutztierrassen des Norddeutschen Tieflandes" (2022/2023) sowie eine Zusammenstellung der Roten Listen der gefährdeten Nutztierrassen in Deutschland (1983-2023) als Download zur Verfügung.

Inhalt


Vorwort

Über das Aussterben oder den bedrohlichen Bestandsrückgang wild lebender Tiere und Pflanzen und den Verlust ihrer Lebensräume sind wir in der Regel gut informiert. Aber auch viele unserer Nutztierrassen sind zum Teil extrem gefährdet. So stehen inzwischen 165 dieser Rassen auf der Roten Liste der bedrohten Nutztierrassen in Deutschland (GEH 2019). Manche sind inzwischen ganz verschwunden, wie etwa das Schwarzweiße Landschwein (Deutsches Weideschwein), das seit 1975 ausgestorben ist.

Eine der Maßnahmen der EU-Biodiversitätsstrategie von 2011 ist die Sicherung von Agrobiodiversität, d. h. „die Erhaltung der genetischen Vielfalt der europäischen Landwirtschaft“. Eines der Kernziele, bis 2020 die genetische Vielfalt der landwirtschaftlichen Nutztiere, einschließlich anderer sozioökonomischer sowie kulturell wertvoller Arten zu sichern, ist nicht erreicht, wenn noch immer ein Viertel der einheimischen Nutztierrassen in der Roten Liste als extrem gefährdet geführt werden muss. „Nach dem derzeitigen Stand der Dinge wird die EU weit hinter ihren Ambitionen zurückbleiben.“ (Natura 2000-Newsletter Natur und Biodiversität der EU, August 2019).

In § 1 (4) des Bundesnaturschutzgesetzes wird der Themenbereich „historisch gewachsene Kulturlandschaften“ als eines der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege definiert. Diese Kulturlandschaften werden auch durch die dort typischen alten Nutztierrassen geprägt.

Die Förderung der biologischen Vielfalt, einschließlich der genetischen Ressourcen, die für Ernährung und Landwirtschaft von Bedeutung sind – d. h. aller Zuchtformen von Tieren und Pflanzen – ist auch eines der Hauptanliegen des im Jahr 1971 durch die UNESCO verabschiedeten MAB-Programms (Man and Biosphere Programme). Weltweit wird es in einem Netz von derzeit 701 UNESCOBiosphärenreservaten konkretisiert, davon 16 in Deutschland.

Das Biosphärenreservat „Niedersächsische Elbtalaue“, ein Teilgebiet des UNESCO-Biosphärenreservats Flusslandschaft Elbe, hat am Schutz und an der Erhaltung alter Haus- und Nutztierrassen ein besonderes Interesse, denn gemäß seiner gesetzlichen Bestimmungen dient es u. a. „der Erhaltung und Entwicklung der […] natürlich und historisch gewachsenen Arten- und Biotopvielfalt, einschließlich Wild- und früherer Kulturformen wirtschaftlich genutzter oder nutzbarer Tier- und Pflanzenarten“ (§ 4 (2) NElbtBRG).

Wie keine andere Schutzgebietskategorie möchten Biosphärenreservate nachhaltige Wirtschaftsformen mit der Bewahrung der biologischen Vielfalt und der Erhaltung von struktur- und artenreichen Kulturlandschaften in Einklang bringen.

Der Erhalt der im Bestand gefährdeten Nutztierrassen als „frühere Kulturformen wirtschaftlich genutzter oder nutzbarer Tierarten“ spiegelt sich auch im Entwurf des Niedersächsischen Landschaftsprogramms (NLWKN 2018) wider: „Die traditionelle, landschafts- und standortsangepassten bäuerlichen Nutzungsformen sind ursächlich und unabdingbar für einen großen Teil der biologischen Vielfalt sowie landschaftlicher Werte und aus naturschutzfachlicher Sicht zu fördern“.

Da die Vielfalt, Eigenart und Schönheit von historisch gewachsenen Kulturlandschaften mit der Bewahrung extensiver Formen der Landnutzung und der Haltung regionaltypischer, alter Nutztierrassen einhergehen, kommt ihrer Förderung eine große Bedeutung zu. Das vorliegende Heft leistet hierzu einen Beitrag .

Die Schriftleitung

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Erhaltung gefährdeter Nutztierrassen am Beispiel der Arche-Region Flusslandschaft Elbe (ARFE)
von Hartmut Heckenroth

Inhalt
1 Einleitung
2 Das Arche-Projekt der GEH
3 Entwicklung und Anerkennung der Arche-Region Flusslandschaft Elbe (ARFE)
3.1 Vorgeschichte
3.2 Kriterien
3.3 Anerkennung
4 Kennzeichen der ARFE
4.1 Lage
4.2 Geomorphologie, Bodenlandschaften, Klima
4.3 Naturräume, Vielfalt und Bewertung der Landschaft
4.4 Kulturlandschaftsräume
4.5 Biosphärenreservate, Biosphärenregion, Naturpark
5 Landwirtschaftliche Tierhaltung und alte Nutztierrasen
5.1 Einheimische Nutztierrassen
5.2 Regionaltypische Nutztierrassen in Niedersachsen
5.3 Alte Nutztierrassen in der ARFE
6 Rote Listen der gefährdeten Nutztierrassen
7 Gefährdete Nutztierrassen im Norddeutschen Tiefland
8 Gefährdete Nutztierrassen in der ARFE
8.1 Arche-Betriebe, Arche-Höfe, Arche-Parks, Halterinnen und Halter
8.2 Erschwernisse bei der Haltung
9 Öffentlichkeitsarbeit, Archezentrum, Förderverein
9.1 Öffentlichkeitsarbeit der ARFE
9.2 Archezentrum Amt Neuhaus
9.3 Förderverein der Arche-Region
10 Zusammenfassung und Ausblick
11 Summary
12 Danksagung
13 Quellen
14 Abkürzungen

10 Zusammenfassung

Über die Gefährdung wild lebender Tiere in Deutschland, insbesondere durch Verlust ihrer Lebensräume u. a. aufgrund des fortschreitenden Wandels in der Landwirtschaft, sind wir durch die Roten Listen informiert, z. B. über Brutvogelarten ab 1971. Die Rote Liste der gefährdeten Nutztierrassen in Deutschland wird seit 1983 geführt. Sie zeigt auf, dass im Zeitraum 1991 bis 2019 die Anzahl der als extrem gefährdet (vom Aussterben bedroht), stark gefährdet oder gefährdet eingestuften Großtierrassen von 31 auf 49 und die der Geflügelrassen von 7 auf 40 angestiegen ist.

Seit 1981 bemüht sich die Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrassen (GEH) um die gefährdeten Nutztierrassen und rief 1995 das Arche-Projekt ins Leben. Mit zehn zertifizierten Arche-Betrieben wurde die Arche-Region Flusslandschaft Elbe (ARFE) aufgebaut und im Januar 2011 als erste Arche-Region anerkannt und ist seitdem ein Teil des bundesweiten Arche-Projektes der GEH.

Inzwischen werden in der ARFE von 29 Arche-Betrieben, 3 Arche-Höfen, 2 Arche-Parks und weiteren 120 aktiven Halterinnen und Haltern insgesamt mehr als 3.000 Tiere von 82 gefährdeten Nutztierrasen gehalten.

Die ARFE liegt im niedersächsischen Teil in den vier Kulturlandschaftsräumen „Elbeniederung“, „Nordheide“, „Uelzener Becken“ und „Wendländische Geest / Drawehn“ mit drei historischen Kulturlandschaften sowie zu drei Viertel im UNESCO-Biosphärenreservat „Flusslandschaft Elbe“ einschließlich der „Biosphärenregion“.

Das Bundesnaturschutzgesetz verweist darauf, dass Biosphärenreservate auch dem Erhalt früherer Kulturformen wirtschaftlich genutzter oder nutzbarer Tierarten dienen sollen. Der Erhalt der genetischen Vielfalt der landwirtschaftlichen Nutztiere als Teil historisch gewachsener Kulturlandschaften wird auch in der EU-Biodiversitätsstrategie von 2011 gefordert.

Viele der knapp 70 landwirtschaftlichen Betriebe mit Haltungen gefährdeter Nutztierrassen in der ARFE bieten Hofführungen an, betreiben biologischen Anbau und sind in der Landschaftspflege aktiv. Gut 90 Hobbyhaltungen haben ihren Schwerpunkt in der Geflügelhaltung.

Im Informationshaus des Biosphärenreservats „Niedersächsische Elbtalaue“ in Neuhaus/Elbe informiert das Archezentrum Amt Neuhaus über Haltungen gefährdeter Nutztierrassen und unterstützt die Vermarktung regionaler Produkte.

Der Einsatz von Nutztieren zur Landschaftspflege gewinnt immer mehr an Bedeutung. Dabei sollten zukünftig verstärkt gefährdete, regionaltypische Nutztierrassen zum Einsatz kommen.


11 Summary
Preservation of endangered species of farm animals in the ARCHE region “Flusslandschaft Elbe” (ARFE)

Red Lists of endangered species of the wild in Germany provide information on the degree and causes for their decline, especially loss of habitats and changes in land use. For breeding birds, this has been documented as far back as 1971. The Red List of endangered species and races of farm animals has been kept since 1983, indicating that between 1991 and 2019, the number of endangered mammal species has risen from 31 to 49, while the number of endangered species of poultry rose from 7 to 40 in the same period.

Since 1981, the „Gesellschaft zur Erhaltung alter und gefährdeter Haustierrasssen“ (GEH, Society for the preservation of old and endangered species of farm animals) has made efforts to preserve these species and subsequently started the „Arche“ project.

Initially, ten farms started as certified „Arche“ members, forming the „Arche-Region Flusslandschaft Elbe“ (ARFE), which in 2011 was recognised as first ARCHE region and has since been part of the nationwide ARCHE project of the GEH.

Meanwhile, ARFE comprises 29 agricultural businesses, 3 ARCHE farms, 2 ARCHE parks and further 120 private owners, keeping and tending more than 3.000 specimens of 82 endangered species of farm animals.

The ARFE area is situated in northeastern Lower Saxony, comprising parts of the four cultural landscapes „Elbeniederung“, „Nordheide“, „Uelzener Becken“ and „Wendländische Geest / Drawehn“, hosting three historical cultural landscapes. Three quarters of ARFE’s area are also part of the UNESCO-Biosphere reservation „Flusslandschaft Elbe“ within which it is also part of the „Biospärenregion“.

The german federal nature conservation act stipulates that Biosphere reserves also aim at preserving historical animal species of economical significance. Equally, EU’s biodiversity strategy of 2011 calls for genetic diversity in farm animals as parts of historical cultural landscapes.

Of ARFES’s roughly 70 agricultural businesses, a great many offer guided tours on their premises, practise organic farming and are active in landscape management, while 90 non-commercial members focus on poultry.

The information centre of the biosphere reserve „Niedersächsische Elbtalaue“ in Neuhaus/Elbe also hosts information from „Archezentrum Amt Neuhaus“ on husbandry of endangered species of farm animals and supports marketing of local produce.

Using farm animal species for landscape management purposes is of ever-growing importance, with a future emphasis on endangered species, regionally typical for a given area.



LIFE Auenamphibien – Halbzeit beim Projekt

Der NABU Niedersachsen führt seit Anfang 2016 zusammen mit seinen Partnern, der Biosphärenreservatsverwaltung Niedersächsische Elbtalaue und Amphi International APS, das Projekt LIFE Auenamphibien durch. Ziel des Projektes ist die Stärkung der Vorkommen der Amphibienarten Rotbauchunke, Laubfrosch und Kammmolch in elf Projektgebieten in Niedersachsen. Das Projekt wird zu 60 % von der Europäischen Union aus dem Programm „LIFE Nature“ finanziert. Weitere Mittel steuern das Land Niedersachsen, verschiedene Städte und Landkreise, die Bingo-Umweltstiftung und die Volkswagen AG bei. Insgesamt stehen rund 3,4 Mio. € für das Projekt zur Verfügung.

Inzwischen ist die Hälfe der Projektlaufzeit abgelaufen, auch von den geplanten 301 Laichgewässern konnte bereits knapp die Hälfte angelegt oder saniert werden. Insgesamt wurden 143 Gewässer in sechs Gebieten geschaffen. Schwerpunkte der Maßnahmenumsetzung waren die Niedersächsische Elbtalaue, der Drömling, der Ilkerbruch, die Braunschweiger Okeraue, die Schunteraue sowie das NSG Schweinebruch.

Um ausreichend Flächen für die Gewässeranlage zur Verfügung zu haben, erfolgten in drei Projektgebieten Flächenankäufe von zusammen ca. 12 ha.

Für die Gewässerneuanlagen wurden gezielt beweidete Flächen ausgewählt. Die Beweidung soll das Aufkommen beschattender Gehölze und dichter Röhrichte verhindern. Insbesondere für die Rotbauchunke ist eine extensive Beweidung der Gewässer entscheidend für die Entwicklung geeigneter Vegetationsstrukturen. An verschiedenen Stellen wurde auf zuvor gemähten oder ungenutzten Flächen mit neu angelegten oder sanierten Gewässern eine Beweidung etabliert. Dazu wurden insgesamt über 8 km Weidezaun gebaut.

Eine weitere wichtige Maßnahme des Projektes ist die Bestandsstützung und Wiederansiedlung der Rotbauchunke. Bei Projektbeginn kam diese Art in Niedersachsen nur noch im Bereich der Elbtalaue vor. Aus dem Freiland entnommener Laich wurde in der Aufzuchtstation von Amphi International aufgezogen. Die Jungunken wurden an verschiedenen Stellen der Elbtauaue freigelassen, um vorhandene Kleinpopulationen zu stärken und die Vorkommen zu vernetzen.

Zudem wurde mit der Wiederansiedlung der Rotbauchunke im Gebiet Strothe/Almstorf (Landkreis Uelzen) begonnen, nachdem auch hier Maßnahmen zur Verbesserung des Laichplatzangebots umgesetzt worden waren. Auch am Steinhuder Meer wurden Unken freigelassen, übergeordnetes Ziel ist die Etablierung mehrere Rotbauchunkenpopulationen in der atlantischen biogeografischen Region.

Grundlage für die Wiederansiedlungen war eine genetische Analyse der niedersächsischen Vorkommen sowie angrenzender Bundesländer, die von der Arbeitsgruppe von Prof. Tiedemann (Universität Potsdam) durchgeführt wurde. Für alle Freilassungsorte wurden zuvor eingehende Untersuchungen zur Habitateignung durchgeführt und die erforderlichen Genehmigungen bei den zuständigen unteren Naturschutzbehörden sowie beim NLWKN beantragt.

Umfangreiche Informationsarbeit zu Zielen und Maßnahmen des Projektes erfolgte über Presseveröffentlichungen, mehr als dreißig Vorträge und etliche Exkursionen. Die projekteigene Internetseite www.life-auenamphibien.com informiert regelmäßig über den Projektfortschritt. Ein gut besuchtes Seminar zur Neuanlage und Pflege von Amphibienlaichgewässern wurde in Zusammenarbeit mit dem Förderkreis Umwelt- und Naturschutz und dem Landesfachausschuss Feldherpetologie des NABU Niedersachsen durchgeführt.

Eine Studienfahrt des Projektteams nach Brandenburg und Ostpolen lieferte wichtige Erkenntnisse über Rotbauchunken-Lebensräume im Niedermoor, die in die weitere Maßnahmenplanung eingehen werden.

Dr. Markus Richter – NABU Niedersachsen



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Fax: +49 (0)511 / 3034-3501

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