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Küstenschutz: Nicht immer geht Deichbau ganz ohne Sonderlösung

Ortslage stellt Deichbau in Harlesiel vor besondere Herausforderungen / Nahe Kleientnahme nützt Klima-, Küsten- und Naturschutz


Harlesiel. Deiche schützen die niedersächsische Küste zuverlässig vor Sturmfluten – aber nur, wenn sie eine hinreichende Höhe aufweisen. Damit auch künftig ein optimaler Küstenschutz für Harlesiel und die Region sichergestellt ist, verstärkt und erhöht die Deich- und Sielacht Harlingerland gemeinsam mit dem Niedersächsischen Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN) die Deiche rund um den beliebten Urlaubsort. In den Jahren 2024 und 2025 konzentrieren sich die Bauarbeiten auf die Westseite von Harlesiel – aufgrund der Ortslage eine besondere Herausforderung. Von der nahen Salzwiesenrenaturierung profitiert neben dem Deichbau auch der Naturschutz. Und: durch kurze Transportwege wird auch der Klimaschutz berücksichtigt.

Hintergrund des Küstenschutzprojekts, für das bereits in den kommenden Wochen die ersten Bagger rollen sollen, sind aktuelle Berechnungen. Diese haben ergeben, dass der Deich in der Ortslage von Harlesiel zu niedrig ist. Bereits in den vergangenen Jahren waren deshalb auf der Ostseite von Harlesiel entsprechende Deichbauarbeiten erforderlich geworden. „Für derart umfangreiche Eingriffe in den Deichkörper steht nur das schmale Zeitfenster der sturmflutfreien Zeit zur Verfügung, da der vorhandene Deich zum Teil abgetragen werden muss. Eine Überschneidung der Arbeiten mit der Urlaubssaison ist deshalb leider unumgänglich“, betonte am Freitag Oberdeichrichter Jan Steffens am Rande einer Besichtigung der Projektfläche mit dem Niedersächsischen Umweltminister Christian Meyer. Die Deich- und Sielacht Harlingerland ist für die Erhaltung des rund 28 Kilometer langen Deichabschnittes zwischen den Ortschaften Dornumergrode und Harlesiel zuständig.

Im Rahmen des nun beginnenden Baufensters konzentrieren sich die Bauarbeiten auf die Westseite der Ortschaft. Hier wurden Fehlhöhen von bis zu 1,30 Meter festgestellt. „Zugleich verlaufen in diesem Bereich zahlreiche Straßen, die ebenfalls an die neue Deichhöhe angepasst werden müssen und an welchen sich die Stadt Wittmund finanziell beteiligt“, erklärt Dr. Thomas Schoneboom vom NLWKN in Aurich, der das Küstenschutzvorhaben an der Seite des Verbandes plant und begleitet. Vollsperrungen einzelner Straßen seien im Rahmen der Arbeiten unumgänglich. Um den Zugang zu Campingplatz, Strand und Hafen trotzdem aufrecht erhalten und damit auch den touristischen Interessen Rechnung tragen zu können, sind für den Deichbau zwei Bauabschnitte in den Jahren 2024 und 2025 vorgesehen. Für einen möglichst reibungslosen Ablauf stehen die Deichacht und der NLWKN im kontinuierlichen Austausch mit der Stadt Wittmund und den betroffenen Tourismuseinrichtungen. Informationen zur Baustelle werden über www.caro2030.de bereitgestellt. Trotz aller Bemühungen, Beeinträchtigungen zu reduzieren sind, sich die Beteiligten einig, dass durch die Bautätigkeit für Anwohner und Urlauber sowie Betriebe nicht vermieden werden können.

Sonderlösung Kronenmauer

Doch nicht nur logistisch ist das Projekt in Harlesiel eine Herausforderung für die Küstenschützer: Im Regelfall wird ein Seedeich mit einer drei Meter breiten Krone sowie einer 1:6 geneigten Außenböschung und einer 1:3 geneigten Binnenböschung ressourcen- und klimaschonend in reinem Erdbau ausgeführt. Damit kann ein möglicher Wellenüberlauf schadlos abgeführt werden. „Die beengten Platzverhältnisse im Ort mit den vielen Straßenüberquerungen indes erfordern einen hohen planerischen Aufwand. Durch die anliegende Bebauung geht es daher nicht ohne Sonderprofil“, so Oberdeichrichter Steffens. Die Lösung ist eine Kronenmauer und ein Deckwerk aus Steinen. Sie ermöglicht es, dass die Küstenschützer die erforderliche Höhe in Harlesiel auch unter stärkeren Neigungen bei einem gleichwertigen Küstenschutz erreichen.

Synergien bei der Kleigewinnung – der Naturschutz profitiert

Eine Herausforderung im Deichbau ist auch die Beschaffung des wichtigsten Baustoffs: Denn für den Seedeich wird neben Sand für den Kern vor allem Klei benötigt. Das Gemisch aus Ton, Schluff und Sand ist aufgrund seiner hohen Widerstandfähigkeit gegen Strömungen und Wellen sowie der geringen Wasserdurchlässigkeit besonders wertvoll für die Abdeckung des Sandkerns – und ein begehrtes Gut. Bei der Beschaffung der in Harlesiel benötigten rund 55.000 Kubikmeter Klei setzten die Küstenschützer auf kurze Wege und damit auf eine klimafreundliche Gewinnung: Denn der benötigte Kleiboden wird im Zuge einer Salzwiesenrenaturierung direkt im Deichvorland von Harlesiel gewonnen. „So kann die Zahl der Erdtransporte geringgehalten werden“, betont Steffens.

Im Rahmen der Arbeiten ist die Entfernung des Oberbodens auf einer Fläche von rund 15 Hektar bis auf das Niveau des mittleren Tidehochwassers vorgesehen. Dabei werden die Voraussetzungen für die Bildung von Pionierzonen und Salzwiesen geschaffen. Ziel ist die Begünstigung einer natürlichen Prielentwicklung und natürlicher Sedimentationprozesse. Insgesamt werden im Rahmen des Projekts dabei 94.000 Kubikmeter Boden abgetragen. Die Bauarbeiten in dem Gebiet befinden sich im Nationalpark Wattenmeer und unterliegen strengen naturschutzrechtlichen Auflagen. Die Maßnahme wird zum Schutz der Küstenvögel außerhalb der Brut- und Setzzeit ab Mitte Juli umgesetzt.

Neben dem Deichbau in Harlesiel sollen auch künftige Vorhaben des Küstenschutzes profitieren: 39.000 Kubikmeter werden für Deichbauprojekte des Landes auf den Inseln entnommen. In dem insgesamt 122 Hektar großen Maßnahmengebiet werden darüber hinaus weitere Biotopverbesserungsmaßnahmen durchgeführt. Geplant ist vor allem ein Verschließen von Grüppen und Gräben und eine gezielte Pflegebeweidung.

„Das gemeinsame Vorhaben der Deich- und Sielacht Harlingerland und des NLWKN hier in den Salzwiesen vor Harlesiel ist ein hervorragendes Beispiel dafür, wie Küstenschutz und Naturschutz gemeinsame Lösungen entwickeln können, wenn sie an einem Strang ziehen“, zeigte sich Umweltminister Christian Meyer beeindruckt.


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Artikel-Informationen

erstellt am:
19.04.2024

Ansprechpartner/in:
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Nds. Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz
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30453 Hannover / 26506 Norden
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