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Zum Einfluss von Kitesurfen auf Wasser- und Watvögel – eine Übersicht

Informationsdienst Naturschutz Niedersachsen
Heft 1/16, 72 S., 4,- €, Download als PDF in der Infospalte

von Thorsten Krüger


Inhalt


Zum Einfluss von Kitesurfen auf Wasser- und Watvögel – eine Übersicht
von Thorsten Krüger

Inhalt
1 Einleitung
2 Rahmenbedingungen für das Kitesurfen
3 Der Begriff der „Störung“ in der Ökologie
4 Störungen rastender oder Nahrung suchender Wasser- und Watvögel
4.1 Faktoren und Prozesse, die die Verhaltensantworten auf Störreize beeinflussen
4.2 Auswirkungen und Konsequenzen wiederholter Störungen
5 Parameter zur Ermittlung von Störungen im Freiland
6 Literaturübersicht: Einfluss von Kitesurfen auf Wasser- und Watvögel
6.1 Küstenlebensräume – Watten, Salzwiesen, Strände
6.2 Offene See
6.3 Binnengewässer
7 Synthese
7.1 Material
7.2 Allgemeingültige Aussagen zum Einfluss von Kitesurfen auf Wasser- und Watvögel
7.3 Artspezifische Alarm- und Fluchtdistanzen
7.4 Vergleiche zwischen Störquellen: Wo „steht“ das Kitesurfen?
7.5 Pufferzonen
8 Fazit
9 Dank
10 Zusammenfassung
11 Summary
12 Literatur
Anhang


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Zusammenfassung
Beim Kitesurfen handelt es um eine noch junge Freizeitaktivität, die erst gegen Ende der 1990er Jahre aufkam und in vielen Gebieten erst Anfang der 2000er Jahre erstmalig ausgeübt wurde. Recht schnell wurde offenbar, dass Kitesurfen bei Vögeln als Verhaltensantwort mindestens ebenso starke (Flucht-)Reaktionen wie Windsurfen auslöst. Dennoch liegen bis dato nur wenige Untersuchungen zum konkreten Einfluss von Kitesurfing auf Vögel vor. Diese Arbeit bietet eine Gesamtschau über die bislang zu diesem Thema verfassten Studien und deren Ergebnisse und versucht auf dieser Basis zu einer synoptischen Betrachtung der Auswirkungen von Kitesurfen auf Vögel zu gelangen.

Das für die Auswertung zusammengetragene Material umfasst 17 Studien aus fünf Nationen (Deutschland, England, Niederlande, Neuseeland, Schweiz). Davon beschreiben zwölf die Auswirkungen von Kitesurfing auf Vögel in Küstenlebensräumen, eine Studie beleuchtet die Auswirkungen auf über der offenen See ziehende Vögel und vier Untersuchungen stammen von großen Binnengewässern. Zehn der 17 Studien wurden durchgeführt, um sich in einem Gebiet explizit der Störwirkung von Kitesurfen zu widmen, die sieben übrigen Studien betrachten jeweils alle im Gebiet auftretenden anthropogenen Störreize, worunter auch Kitesurfen fällt.

Bei fast allen Studien handelt es sich um unveröffentlichte Gutachten, also graue Literatur, eine Arbeit ist bei einer Fachzeitschrift zur Publikation eingereicht und wurde vorab zur Verfügung gestellt.

Allein durch diese Eckdaten wird klar, dass es sich um sehr heterogenes Material handelt, zumal auch keine einheitliche Methode zur Ermittlung der Auswirkungen von Störreizen angewendet wurde. Es galt insofern einerseits aus der Vielzahl der aus den verschiedenen Studien gewonnenen Informationen die allgemeingültigen bzw. übertragbaren und dabei belastbar erscheinenden Erkenntnisse herauszuziehen und andererseits auch die präsentierten Extremdaten hinsichtlich des Konfliktpotenzials zu interpretieren.

Die Ergebnisse der Studien lassen sich hinsichtlich einer Störwirkung von Kitesurfen auf Vögel und Vogellebensräume wie folgt zusammenfassen:

  • Ganz allgemein und im Vergleich mit anderen anthropogenen Störungen ist bei Freizeitaktivitäten, bei denen es sich um Wassersport und dabei wiederum um Kitesurfen handelt, die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie auf Vögel als Störreiz wirken und einen großen Einfluss auf einen erheblichen Anteil der Vögel vor Ort haben, indem diese weite Flüge durchführen oder das Gebiet ganz verlassen.
  • An Tagen mit Kitesurf-Aktivitäten in einem bestimmten Gebiet bzw. auf einem Gewässer waren in der Regel deutlich weniger Rastvögel anwesend (bzw. vielfach keine mehr), als an Tagen, an denen keine Kitesurfer aktiv waren, ein indirekter, aber klarer Beleg für den Scheuch- bzw. Störeffekt des Kitesurfens, der sich auf die Raumnutzung von Vögeln auswirkt.
  • Planmäßige Vorher-Nachher-Zählungen belegen, dass vor Beginn von Kitesurf-Aktivitäten in einem bestimmten Gebiet bzw. auf einem Gewässer deutlich mehr Vögel anwesend waren, als währenddessen bzw. kurz danach (dann vielfach sogar keine mehr). Ursächlich dafür ist die beobachtete Scheuch- bzw. Störwirkung des Kitesurfens.
  • Dies gilt auch für tidebeeinflusste Nahrungsflächen im Watt, in denen sich Vogelbestände durch auflaufendes Wasser natürlicherweise verlagern und dadurch oft schon bereits vor Beginn der Aktivitäten in einer Kitezone größtenteils verschwunden sind, die verbliebenen Vögel dann aber durch das Kitesurfen verdrängt werden.
  • Kitesurfen stellt – wie alle anderen Störquellen auch – einen artspezifisch unterschiedlich stark wirksamen Stimulus dar, d. h. es gibt Arten die allgemein stark auf Kitesurfen reagieren und auf vergleichsweise große Distanz Alarmverhalten zeigen oder flüchten, andere Arten wiederum tolerieren Kitesurf-Aktivitäten selbst in relativ geringer Entfernung.
  • Losgelöst von Effektdistanzen, artspezifischen und individuellen Empfindlichkeiten etc. hat Kitesurfen das Potenzial, je nach Situation alle anwesenden Rastvögel in einem Gebiet aufzuscheuchen und zu vertreiben.
  • Je nach Lage der Rast- und Nahrungsflächen kann bereits ein einzelner Kitesurfer, der einen bestimmten Bereich intensiv befährt, diesen Effekt hervorrufen.
  • Nur ein Teil der aufgescheuchten Vogelarten und -individuen kehrt gewisse Zeit nach Beendigung der Kitesurf-Aktivitäten wieder an den Rastplatz bzw. in das Nahrungsgebiet zurück. Selbst einen Tag nach dem Störreiz waren die Bestände oft noch nicht wieder so groß wie vor dem Ereignis.
  • Die Effektdistanzen und Störwirkungen sind dann besonders groß, wenn sich Kitesurfer außerhalb der für die Ausübung ihrer Sportart vorgesehenen Bereiche aufhalten.
  • Kitesurfing in dafür vorgesehenen Zonen wirkt sich in Abhängigkeit von den artspezifischen Alarm- und Fluchtdistanzen der anwesenden Vögel auch über die Grenzen der Zonen hinaus negativ auf die Raumnutzung von Vögeln aus.
  • Losgelöst von Effektdistanzen, artspezifischen und individuellen Empfindlichkeiten wirkt Kitesurfen nicht nur störend auf rastende Vögel, sondern auch auf fliegende/ziehende Vögel. Diese reagieren meist mit Um- oder Überfliegen, bei scheuen Arten vereinzelt auch mit deutlichen Kurswechseln bzw. Zugrichtungsänderungen.
  • Kitesurfing führt durch seine Störwirkung zu einer Reduzierung der den Vögeln für die Nahrungssuche zur Verfügung stehenden Fläche und Zeit. An der Küste verschärft sich dieser Effekt zusätzlich dadurch, dass für viele Watvögeln die Nahrungssuche tidebedingt ohnehin nur räumlich und zeitlich begrenzt möglich ist.
  • Kommt es in einem Gebiet neben Kitesurfen gleichzeitig zu anderen Störreizen freizeitbedingter Art, summiert sich die Störwirkung und ist dann meist erheblich.
  • Allerdings ist in bestimmten Gebieten die Vorbelastung durch andere freizeitbedingte Störungen (Windsurfen, Bootsverkehr, Spaziergänger usw.) so groß, dass die durch Kitesurfen ausgelösten Effekte scheinbar nicht mehr so stark ins Gewicht fallen. Sie sind dann kaum noch oder gar nicht mehr messbar, weil schlicht keine oder nur noch wenige Vögel anwesend sind.
  • Gewöhnungseffekte gegenüber Kitesurfing wurden nicht festgestellt. Dies wird durch die Qualität der Störquelle „Kitesurfen“ an sich (schnell, Kurswechsel etc., keine festen Fahrwege) als auch durch die Tatsache erklärt, dass es sich bei den Vögeln oft um nur jeweils kurze Zeit in den Gebieten anwesende Gastvögel handelt.
  • Es deutet sich an, dass Vögel offener Wasserflächen (offene See, Binnenseen) gegenüber Kitesurfern höhere Fluchtdistanzen besitzen, als Vögel, die sich an (semi-)terrestrischen Rastplätzen aufhalten oder im Watt nach Nahrung suchen.
  • Zumindest aus den niedersächsischen Gutachten ergeben sich kaum Hinweise auf negative Auswirkungen von Kitesurfen auf Brutvögel. Dies kann bedeuten, dass in den Küsten-Brutvogellebensräumen Störungen durch andere Aktivitäten bereits so groß sind, dass sich dort ohnehin nur noch wenige bis keine oder nur vergleichsweise tolerante Arten ansiedeln. Es kann aber auch ein Hinweis darauf sein, dass die in den Untersuchungsgebieten zumeist zu den Kitezonen bereits bestehenden Puffer wirksam sind. Denn aus anderen Ländern wird sehr wohl explizit auf die Störwirkung von Kitesurfern auf Strandbrüter hingewiesen, was lokal zu zeitlich befristeten Verboten oder zu Best-Practice-Richtlinien bzw. zur Veröffentlichung von Verhaltensregeln geführt hat.
  • Bezüglich der Störwirkung des Kitesurfens im Vergleich mit anderen wassergebundenen Freizeitaktivitäten wird Kitesurfen lediglich von motorbetriebenen, schnell fahrenden Booten, die gleichzeitig starken Lärm verursachen übertroffen. Folgende Reihenfolge der Störwirkung ergibt sich:
  • Speedboote und Jet-Ski > Kitesurfen > Windsurfen > kleine Schiffe, Motorboote und Segelboote > Ruderboote, Kanus und Kajaks.
Die hier zusammengestellten Ergebnisse von Untersuchungen über die Störwirkung von Kitesurfen ergeben ein klares Erfordernis für den Schutz von wertvollen Lebensräumen für Wasser- und Watvögel vor Kitesurfen. Durch die Daten ist belegt, dass eine ungeregelte Ausübung des Kitesurfens den Erhaltungszustand der jeweiligen Vogellebensräume sowie der darin vorkommenden Arten und Lebensgemeinschaften erheblich beeinträchtigen würde. Folgerichtig ist das Kitesurfen vielerorts bereits gänzlich untersagt oder auf bestimmte, oft außerhalb der wertvollen Lebensräume gelegene Zonen begrenzt, für die weitere Vorgaben die Ausübung steuern. Aus naturschutzfachlicher Sicht ist dies ein unabdingbares Erfordernis, insbesondere in Küstenlebensräumen.

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Summary
On the effects of kitesurfing on waterbirds – a review

(Download english version)
Kitesurfing is a relatively new recreational activity that emerged internationally at the end of the 1990s and has been applied at many European spots in the early 2000s for the first time. Very soon it became obvious that kitesurfing could be an equally strong or even stronger disturbance stimulus on birds as windsurfing. Yet to date there are only a few studies on the effects and impacts of the new sport. This paper provides an overall view of the various studies and their results and tries to give a synoptic account of bird reactions to kitesurfing. Since kitesurfers themselves tend to underestimate the impact of this sport, there is a great demand for reliable data from the perspective of nature conservation.

The material gathered for the evaluation includes 17 studies from five countries (England, Germany, Netherlands, New Zealand, Switzerland), twelve of which describe the effects of kitesurfing on birds in coastal habitats, one study highlights the reactions of migrating birds at the open sea and four studies refer to large inland waters. Ten of the 17 studies were conducted explicitly in order to investigate the effects of disturbance caused by kitesurfing. The seven remaining studies referred to the whole range of human disturbance stimuli occurring at a study site, among which kitesurfing is only one disturbance type. Almost all studies are unpublished, so-called grey literature, while one study has been submitted to a journal for publication and was made available beforehand.

As is obvious, the material is very heterogeneous, especially since the methods for recording and measuring the disturbance stimuli differ between studies. Thus, the task at hand was to extract the universal or rather applicable findings from the multitude of information gathered from the different studies. Additionally the extreme data presented in the studies had to be interpreted to evaluate the potential of conflicts between kitesurfing and waterbirds.

The results of the studies in terms of reactions of birds to kitesurfing and effects of disturbance on birds and bird habitats can be summarized as follows:

  • Compared to other types of man-made disturbances, water sports and especially kitesurfing tend to present rather strong disturbance stimuli. It tends to have a high impact on birds with a substantial proportion of birds either taking long flights or leaving the site altogether.
  • On days with kitesurfing activities at a specific site almost always significantly less birds were present (or in many cases none at all) than on days without kitesurfers. This is an indirect but clear evidence of a reaction to the disturbance stimuli caused by kitesurfing, which influences both spatial and temporal distribution of birds.
  • Systematic Before-After-Counts proof, that before kitesurfing had started at a certain site always significantly more birds were present than during or shortly after the activities (if there were any birds left at all). This is due to the observed reactions to the disturbance stimuli of kitesurfing.
  • This also applies to tidal feeding areas in mudflats, where bird numbers are naturally shifting through rising water level and therefore often have disappeared already before kitesurfing activities started; the remaining birds were then displaced by kitesurfing.
  • Disturbance distances, species-specific and individual sensitivities etc. notwithstanding, kitesurfing has the potential to chase away all roosting or feeding birds from an area.
  • Depending on the location already a single kitesurfer, who is surfing in areas used for resting and feeding intensively, can cause this effect.
  • Only a fraction of the birds (species and individuals) which flushed in response to the disturbance stimulus return to the roost or the feeding area after kitesurfing activity has ended. Very often even a day after the disturbance event had occurred, local bird numbers were not as high as they had been before.
  • Reactions to disturbance stimuli are particularly high when kitesurfers are active outside the zones designated for kitesurfing.
  • Kitesurfing in designated zones also has adverse effects on the spatial distribution of birds beyond the borders of the zones depending on the species-specific alarm and flight-initiation distances of the birds present in adjacent areas.
  • Apart from effect distances, species-specific and individual sensitivities, kitesurfing not only disturbs resting or feeding birds, but also flying/migrating birds. They usually react with flying around or with flying over the surfer. Sometimes shy species even change heading or direction of migration significantly.
  • For foraging birds kitesurfing leads both to a reduction of time available for foraging and of space for feeding through its effect of disturbance. In coastal habitats this effect is all the greater, because time and area for many species (e.g. shorebirds) is naturally limited by the tide already.
  • When several other disturbance stimuli caused by other recreational activities occur in an area in addition to kitesurfing the effect of disturbance adds up and is then usually considerably.
  • However, in many areas the disturbance level caused by other recreational activities (windsurfing, boat traffic, walkers, etc.) is already so high that the reaction to disturbance stimuli caused by kitesurfing seems to be not as strong. In such cases effects are hardly (or not at all) measurable, because no birds or only a few birds are still remaining.
  • Habituation towards kitesurfing was not found. This is explained by the quality of the disturbance source “kitesurfing” itself (quick movements, sudden changes of course, no fixed routes, high speed) and also by the fact that especially staging birds are often present only for a short period of time (high turnover) at roosts and feeding sites.
  • The data from the studies presented suggest that birds of open waters (open sea, lakes) show higher flight initiation distances towards kitesurfers than birds staying at (semi-)terrestrial roosts or foraging in tidal mud flats.
  • Studies as have been conducted in Lower Saxony give only little evidence of negative effects of kitesurfing on breeding birds of coastal habitats. This is either due to the high level of disturbance stimuli by other human activities in those habitats, which caused low densities of breeding birds or a complete lack of sensitive breeding birds close to kite zones in the first place. Only a few more tolerant breeding birds stay there. But it can be an indication that the buffer zones defined in the study areas between kite zones and breeding bird habitats are effective. However, from other countries it is very well known that kitesurfing activities (which start with the entrance at the beach or at the shore, walking along the beach and across the mudflats to open water, kite flying already at the beach and waiting for the tide etc.) explicitly have effects on breeding bird species of the beaches and dunes. This has led to temporary bans of kitesurfing at those sites or the publication of best-practice guidelines or rules of conduct.
  • With respect to the disturbance effect of kiteboarding compared with other water-related recreational activities (watercraft only) the data show that kitesurfing is only surpassed by motorized, fast-moving boats, which produce loud noise at the same time. The following order emerges: speedboats and jet-skis > kitesurfer > windsurfer > small vessels, motorboats, and sailboats > rowing boats, canoes, and kayaks.
The results of the studies on effects of disturbance of kitesurfing compiled in this work clearly demonstrate a requirement for the protection of important habitats for waterbirds. Data suggest strong evidence that unregulated pursuit of kitesurfing would affect the conservation status of each bird habitat, its species, and communities significantly. Therefore kitesurfing is banned at many sites already or limited to distinct zones outside. At these surf spots the exercise is regulated by specifications. From a conservation perspective, this is mandatory, especially in coastal habitats.....................nach oben

Kurzmitteilung

Erfolgreicher Abschluss des Projektes LIFE AMPHIKULT
Das Projekt LIFE-AMPHIKULT, das aus Mitteln des Förderprogramms für die Umwelt der Europäischen Union (LIFE+NATURE) kofinanzierte Amphibienschutzprojekt des NABU Niedersachsen, ist mit Ablauf des Jahres 2015 erfolgreich beendet worden. Das vom Land Niedersachsen, den Landkreisen Diepholz, Schaumburg und Vechta sowie der Region Hannover kofinanzierte Projekt zielte auf die Stärkung und Vernetzung der Vorkommen ausgewählter Amphibienarten in Niedersachsen ab. Der NLWKN unterstützte das Projekt durch Verwaltung der Landesmittel, fachliche Prüfung der Maßnahmen und Mitarbeit in der projektbegleitenden Arbeitsgruppe. Das Gesamtbudget des Projektes betrug 1,13 Mio. €.

Die ursprünglich 15 Projektgebiete liegen im mittleren Niedersachsen in den Landkreisen Osnabrück, Vechta, Diepholz, Nienburg, Schaumburg sowie der Region Hannover. Da die auf fünf Jahre angelegte Projektlaufzeit um ein Jahr verlängert wurde, konnten zusätzliche Maßnahmen in fünf weiteren Projektgebieten umgesetzt werden. Zielarten des Projektes waren Laub-, Moor- und Kleiner Wasserfrosch sowie Kreuz- und Knoblauchkröte. In den fünf zusätzlichen Projektgebieten in Südostniedersachsen wurden zudem Maßnahmen für die Wechselkröte umgesetzt. Elf der 20 Projektgebiete sind Bestandteil des Netzes Natura 2000. Zur Verbesserung der Vernetzung der Vorkommen wurden einzelne Maßnahmen auch außerhalb der Projektgebiete durchgeführt.

Wichtigste Maßnahme des Projektes war die Neuanlage oder Sanierung von Laichgewässern für die Zielarten. Insgesamt wurden 276 Kleingewässer mit zusammen über 20 ha Wasserfläche geschaffen. Damit konnten in fast allen Projektgebieten deutlich mehr Gewässer gebaut werden als ursprünglich geplant. Diese Gewässer hatten eine durchschnittliche Größe von 730 m², wobei die Spanne von 5 m² bis über 2 ha Wasserfläche reichte. Die größten Gewässer wurden durch Anstau von Oberflächen- bzw. Regenwasser mittels Verwallungen erstellt, die übrigen durch Ausschachten mit dem Bagger.

Die Gewässersanierungen umfassten je nach Ausgangssituation das Entfernen beschattender Gehölze, die Entnahme zu dichter Vegetationsbestände, das Abflachen steiler Ufer sowie die Optimierung der Wasserführung. Im Gebiet Steinbruch Liekwegen im Landkreis Schaumburg wurden zusätzlich 292 Kleinstgewässer von wenigen m² Größe für die Kreuzkröte in Form von Fahrspuren u. ä. angelegt.

Entsprechend der Ansprüche der Zielarten wurden alle Gewässer als möglichst voll besonnt mit ausgedehnten Flachwasserzonen und nur temporärer Wasserführung konzipiert. Ein regelmäßiges Trockenfallen der Gewässer nach Abschluss der Reproduktion der Zielarten soll die dauerhafte Ansiedlung von Fischen und anderen Fressfeinden von Laich und Larven verhindern und dadurch einen hohen Reproduktionserfolg gewährleisten. Die Ausarbeitung der Gewässerplanungen einschließlich der erforderlichen Genehmigungsunterlagen wurden zum größten Teil an fachkundige Experten vor Ort vergeben, einen Teil übernahmen die Projektmitarbeiter.

In den meisten Projektgebieten sind geeignete Landlebensräume für die Zielarten in ausreichendem Umfang vorhanden. Für Kreuz- und Wechselkröte wurden durch Entbuschungen und die Anlage bzw. Schaffung von Rohbodenflächen auf insgesamt 19,3 ha zusätzliche Landlebensräume geschaffen. Auch hier konnte der ursprünglich geplante Maßnahmenumfang von 12 ha deutlich übertroffen werden.

Die Vergabe der Baumaßnahmen an Fachunternehmen erfolgte über insgesamt 24 Vergabeverfahren. Die Aufträge wurden an 14 verschiedene Baggerfirmen vergeben, weitere vier Unternehmen erhielten Aufträge für Gehölzarbeiten.

Bei allen Maßnahmen wurde von Beginn an auf eine möglichst hohe Nachhaltigkeit geachtet. Da sowohl Kleingewässer als auch Rohbodenflächen durch eine ungehinderte Sukzession – insbesondere für die Ziel- und Begleitarten – rasch entwertet werden, wurden für die Maßnahmen möglichst beweidete Flächen ausgewählt. Durch Einbeziehung der Gewässer in die extensive Beweidung kann das Aufwachsen von Gehölzen und dichter Röhrichtbestände sowie eine rasche Verlandung deutlich verzögert bzw. verhindert werden. In einem Gebiet wurde die Etablierung einer extensiven Beweidung durch den Bau des Weidezauns unterstützt.

Die Evaluation der Gewässerneuanlagen und -sanierungen umfasste eine strukturelle Kartierung sowie eine Erfassung der Zielarten und wurde in den beiden letzten Projektjahren überwiegend durch externe Kartierer durchgeführt. Die Strukturkartierung ergab, dass der allergrößte Teil der Gewässer die angestrebten Kriterien bezüglich Besonnung und Vegetationsausprägung erfüllte. Größtenteils wurde auch die nur temporäre Wasserführung mit einem Trockenfallen nach Abschluss der Reproduktion der Zielarten erreicht. Bei den als permanent eingestuften Gewässern bleibt abzuwarten, ob sie in Jahren mit weniger Niederschlag in den Sommermonaten doch noch austrocknen.

Im Rahmen der Amphibienkartierung konnten rufende Laubfröschean insgesamt 53 Gewässern in sechs Gebieten festgestellt werden. Damit waren bereits 24 % der 218 für diese Zielart angelegten Gewässer besiedelt. Bemerkenswert waren insbesondere die Vorkommen am Steinhuder Meer. Hier wurden in 25 von 39 Gewässern Laubfrösche nachgewiesen, insgesamt wurden etwa 450 rufende Männchen gezählt. Laubfroschlarven fanden sich in zehn Gewässern. In der Bückeburger Niederung (Landkreis Schaumburg) riefen an zehn von zwölf AMPHIKULT-Gewässern Laubfrösche, zusammen etwa 590 Männchen. Dabei wurden auch Gewässer in über 3 km Entfernung von den bisher bekannten Vorkommen neu besiedelt.

An 14 Gewässern in drei Gebieten konnten sichere Moorfroschnachweise erbracht werden. Die größten Vorkommen wurden im Aschener Moor (Landkreis Diepholz) mit über 500 Laichballen festgestellt. In 34 weiteren Gewässern wurde Braunfroschlaich nachgewiesen, ohne dass eine sichere Artbestimmung möglich war. Ein Teil davon dürfte ebenfalls vom Moorfrosch gestammt haben.

Kreuzkröten wurden an vier Gewässern nachgewiesen. Ein größere Rufgruppe mit über 20 Tieren wurde am Rand des Renzeler Moores (Landkreis Diepholz) verhört.

Wechselkröten wurden nur an zwei Gewässern im Tagebau Treue (Landkreis Helmstedt) festgestellt. Dabei ist zu beachten, dass die Mehrzahl der Gewässer für diese Art erst im letzten Projektjahr angelegt wurde und eine Evaluation somit im Rahmen des Projektes nicht mehr möglich war.

Generell ist bei den Ergebnissen der Amphibienkartierung zu berücksichtigen, dass die Mehrzahl der Gewässer zum Zeitpunkt der Untersuchung noch relativ jung war und sich die notwendigen Vegetationsstrukturen z. B. für Laub- und Moorfrosch noch nicht ausgeprägt hatten. Mit einer weiteren Zunahme der Anzahl besiedelter Gewässer sowie einem deutlichen Anwachsen der Bestände der Zielarten ist daher erst in den nächsten Jahren zu rechnen. Zudem konnte die Erfassung aufgrund des relativ niedrigen Aufwands kein vollständiges Bild der Besiedlung durch Amphibien liefern. Insbesondere schwer zu erfassende Arten wie die Knoblauchkröte dürften daher unterrepräsentiert sein.

Die Evaluation der Anlage der Kleinstgewässer im Steinbruch Liekwegen erfolgte 2013 und 2015. Trotz unterschiedlichem Witterungsverlauf waren in beiden Jahren während der gesamten Reproduktionsperiode durchgehend geeignete Laichgewässer für die Zielart Kreuzkröte vorhanden. Im ersten Untersuchungsjahr wurden als Maß für die Populationsgröße 47 abgelegte Laichschnüre gezählt. Bei der Wiederholung im Jahr 2015 waren es bereits 85. Einschließlich einer gewissen Dunkelziffer kann ein Bestand von etwa 100 Laichschnüren angenommen werden. Damit handelt es sich um eines der größten Kreuzkrötenvorkommen in Niedersachsen. Zahlreiche Jungkröten belegten eine erfolgreiche Reproduktion in beiden Untersuchungsjahren. Die hier etablierte Beweidung hat entscheidend dazu beigetragen, die Eignung der Gewässer für die Pionierart Kreuzkröte über mehrere Jahre aufrecht zu erhalten.

Ein weiterer Schwerpunkt des Projektes war die Informationsarbeit. Wichtigste Informationsquelle war dabei die Projektinternetseite www.life-amphikult.de, die regelmäßig aktualisiert wurde und auf die durchgehend mehrere tausend Zugriffe pro Monat erfolgten. In den Projektgebieten wurden 16 Informationstafeln an Örtlichkeiten mit regem Besucherverkehr, wie Parkplätzen, Aussichtstürmen oder Wanderwegen aufgestellt. Zudem wurden mehrere Amphibien-Exkursionen durchgeführt und ein Flyer (dt./engl.) erstellt.

Zur Verbreitung der Kenntnisse über die Anlage und Pflege von Amphibienlaichgewässern wurden zwei Seminare veranstaltet. Das erste, das in Zusammenarbeit mit der Alfred-Toepfer-Akademie für Naturschutz (NNA) in Vechta durchgeführt wurde, richtete sich an Mitarbeiter von Behörden und Planungsbüros. Mit dem zweiten Seminar, veranstaltet am Dümmer in Kooperation mit dem Naturschutzring Dümmer, wurden Ehrenamtliche angesprochen. Beide Seminare waren ausgebucht. In einem sogenannten „Laienbericht“, der zum Projektende zweisprachig (dt./engl.) gedruckt und als Download erstellt wurde, wurden Konzeption, durchgeführte Maßnahmen und Ergebnisse allgemeinverständlich dargestellt.

Höhepunkt der Informationsarbeit war die sehr gut besuchte internationale Abschlusstagung in Hannover mit dem Titel „„Strategien im Amphibien- und Reptilienschutz: Großflächiges Habitatmanagement und Wiederansiedlung“. Sie wurde zusammen mit den NABU-Projekten zum Schutz der Gelbbauchunke und zur Wiederansiedlung der Europäischen Sumpfschildkröte veranstaltet. Dafür konnten u. a. Referenten aus England, Dänemark, den Niederlanden und Spanien gewonnen werden.

Insgesamt hat das Projekt wesentlich dazu beigetragen, die Situation der Amphibien in Niedersachsen zu verbessern. Über die Projektmaßnahmen hinaus konnten zahlreiche Gewässerneuanlagen und -sanierungen sowie ehrenamtliche Bestandserfassungen initiiert werden. Durch die Informationsarbeit sowie verschiedene planerische Arbeiten wurden zudem die Grundlagen für einen dauerhaften Erfolg der Maßnahmen gelegt. Der NABU Niedersachsen bedankt sich bei allen Projektbeteiligten, insbesondere den Geldgebern für die Unterstützung und die erfolgreiche Zusammenarbeit.

Die Internetseite www.life-amphikult.de mit umfangreichen Informationen zum Projekt wird noch mindestens fünf Jahre online sein. Hier stehen auch der Abschlussbericht, der Laienbericht sowie zwei Präsentationen über das Projekt von der Abschlusstagung als Download zur Verfügung.

Dr. Markus Richter – NABU

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Neue Veröffentlichungen

Flyer „Natura 2000 in Niedersachsen“ – Die biologische Vielfalt Europas bewahren
Mit über 20 % der Fläche der Europäischen Union ist Natura 2000 das größte Schutzgebietsnetz weltweit. Niedersachsen ist mit rund 10,5 % seiner Landfläche beteiligt (inkl. mariner Bereiche ca. 16 %). Die vier neuen, kostenlosen Flyer enthalten allgemeine Grundlageninformationen zum Thema.


Flyer „Der Wolf ist zurück in Niedersachsen“ – Informationen und Verhaltenstipps

Der Wolf galt lange Zeit als ausgestorben in Deutschland. Die Rückkehr dieser streng geschützten Tierart nach Niedersachsen stellt alle Seiten vor eine wichtige Aufgabe: friedlich miteinander zu leben.Der neue Flyer informiert über die Lebensweise der Wölfe, über das Verhältnis von Mensch und Wolf und gibt Hinweise zum Verhalten bei Begegnungen mit Wölfen.

Aus dem Inhalt:

  • Rückkehr aus eigener Kraft
  • Der Wolf steht unter unserem Schutz
  • Steckbrief Europäischer Wolf
  • Mensch und Wolf
  • Wenn Sie einem Wolf begegnen…
  • Lokale Ansprechpartner und Meldung von Wolfshinweisen
Weitere Infos hier.


„Programm Niedersächsische Moorlandschaften“ – Grundlagen, Ziele, Umsetzung
Die niedersächsischen Moore sind wesentliche Bestandteile unserer Natur- und Kulturlandschaft. In den letzten Jahren wurde zunehmend erkannt, dass Moore – über ihre Bedeutung als Lebensraum für viele moortypische Arten hinaus – weitergehende ökologische Funktionen erfüllen. Hier ist an erster Stelle ihre Bedeutung für den Klimaschutz zu nennen.

Das neue „Programm Niedersächsische Moorlandschaften“ baut daher zwar auf den über Jahrzehnte gewonnenen Erfahrungen im Moorschutz auf, wurde aber insbesondere auch auf Klimaschutzziele ausgerichtet. Es bedeutet somit einen Neubeginn beim Management von Mooren, mit dem sich Niedersachsen den Herausforderungen des Klimawandels und seiner besonderen Verantwortung als Moorland stellt. Erstmals werden dabei neben den Hochmooren auch Niedermoore einbezogen.

Hrsg.: Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie und Klimaschutz (2016); Broschüre, A4, 72 S., kostenlos

Weitere Infos und Bestellung beim MU.

Kitesurfen  
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Hier gibt es die lieferbaren gedruckten Veröffentlichungen des NLWKN:

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Artikel-Informationen

Ansprechpartner/in:
Veröffentlichungen

Nds. Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz
Göttinger Chaussee 76 A
D-30453 Hannover
Tel: +49 (0)511 / 3034-3305
Fax: +49 (0)511 / 3034-3501

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