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Allgemeine Informationen

Marschengewässer befinden sich in den küstennahen Niederungen an der Nordsee und in angrenzenden Flussniederungen in Schleswig–Holstein, Hamburg, Bremen und Niedersachsen. Sie weisen im Vergleich zu anderen Fließgewässertypen des Tieflands abweichende, für die ökologische Bewertung jedoch bedeutsame Charakteristika auf. Die Gewässer der Marschen hatten ursprünglich direkte Verbindung zum (Watten-) Meer oder den Mündungsbereichen der großen Ströme. Sie unterlagen somit natürlicherweise dem Einfluss der Gezeiten, wodurch beispielsweise wechselnde Salinitäten, Wasserstände und Strömungsrichtungen charakteristisch waren. Heutzutage ist die überwiegende Zahl der Marschengewässer jedoch durch menschliche Nutzung sowohl im Aussehen als auch im Gewässercharakter stark verändert. Sie weisen z.B. nur periodisches Abflussverhalten mit starken Rückstaueffekten und zeitweise ggf. überwiegend stehendem Charakter (meist sehr geringe bis zeitweise fehlende Fließgeschwindigkeiten) bis hin zu freiem Tideeinfluss mit z.T. erheblichen Fließgeschwindigkeiten und tideperiodischem Richtungswechsel, regional bzw. zeitlich stark variierende Salzgehalte und generelle Tendenz zu sehr feinkörnigen Substraten auf.

Diese spezifischen abiotischen Rahmenbedingungen sowie die Tatsache, dass die meisten Bewertungsverfahren (z.B. ASTERICS/PERLODES, PHYLIB, fiBS) für natürliche Fließgewässer entwickelt wurden und daher zur Bewertung in Marschengewässern nicht anwendbar sind, machten für alle biologischen Qualitätskomponenten die Entwicklung spezieller Bewertungsverfahren oder die Modifizierung vorhandener Verfahren erforderlich.

Nach LAWA (2008) wurden die Marschengewässer wie die übrigen Fließgewässer unter Berücksichtigung biozönotisch relevanter, natürlicher Kriterien und der Einzugsgebietsgröße typisiert. Bei den Subtypen der Marschengewässer erfolgte allerdings zunächst eine reine Klassifizierung nach Einzugsgebietsgrößen.

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Diese Einteilung der Subtypen nach LAWA (2008) eignet sich allerdings nach den in Niedersachsen und Bremen vertretenen Auffassung allenfalls sehr begrenzt Grundlage für den Aufbau sinnvoller Bewertungsansätze. Erscheinungsbild und Biozönosen rezenter Marschengewässer differenzieren sich in aller erster Linie nach der Ausprägung des Tide-Einflusses in zwei deutlich verschiedene Großgruppen, nämlich in die (meist, aber nicht immer: größeren) Gewässer mit freiem Tide-Einfluss (tideoffene Marschengewässer) und die (oft, aber nicht immer: kleineren) Gewässer ohne freien Tideeinfluss (nicht tideoffene Marschengeewässer). Daher wurde der LAWA Steckbrief zum Typ 22 inzwischen umfangreich überarbeitet. Er liegt hier als Download bzw. ist in Pottgiesser (2018) enthalten.

Die nicht tideoffenen Gewässer stellen heute in den meisten Marschgebieten den weitaus überwiegenden Teil des Gewässersystems dar. Es handelt sich hierbei im Grunde genommen um einen anthropogen übergeprägten Typ. Gemeinsames Charakteristikum dieser Gewässer ist, dass der Mensch sie im Zusammenhang mit dem Bau von Deichen als zwingende Voraussetzung für die Besiedelbarkeit der sehr tief liegenden Marsch-Gebiete vom freien Einschwingen der Tide durch den Einbau von Sielen oder z.T. Schöpfwerken getrennt hat – um eine ausreichende Sturmflut- und Hochwassersicherheit zu erreichen, das Eindringen von Salz ins Binnenland zu begrenzen und die Vorflutverhältnisse mit den Ansprüchen der Landwirtschaft in Einklang zu bringen. Diese Veränderungen waren zwingend für die heutige Besiedlung dieser Gebiete und müssen somit als faktisch irreversibel betrachtet werden.

Gegenüber den tideoffenen Gewässern sind diese Gewässer durch folgende ökologisch relevante Gemeinsamkeiten abgegrenzt: Ein Fließrichtungswechsel tritt nicht mehr auf. Fließvorgänge und Fließgeschwindigkeiten sind insgesamt deutlich reduziert und auf die Sielzugphasen bei ausreichend geringem Außenwasserstand oder Schöpfbetrieb begrenzt. In Trockenzeiten wird ggf. zur Wasserhaltung auch längerfristig eingestaut, so dass dann ggf. über Wochen annähernd gar keine Fließvorgänge mehr stattfinden. Die in vielen Abschnitten allenfalls geringen Fließgeschwindigkeiten bedingen eine besonders starke Tendenz zu sehr feinkörnigen Substraten. Die Schwankungen der Wasserstände- und Salzgehalte sind in der Tendenz deutlich geringer als in tideoffenen Gewässern (hier besonders stark im Nahbereich der Küste bzw. stark ausgebauten Schifffahrtsstraßen).

Daher hat sich als Grundlage einer den Aufbau funktionierender Bewertungsverfahren unterstützenden Typologie für Marschengewässer in der Praxis die Trennung in tideoffene und nicht tideoffene Gewässer (zzgl. der Ströme, Subtyp 22.3) als zielführend erwiesen. Diese Trennung zeigt sich sowohl beim Makrozoobenthos als auch bei den Makrophyten als prägend für die Artengemeinschaften.


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Ansprechpartner/in:
Dr. Oliver-David Finch

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Oldersumer Straße 48
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Tel: +49 4941 176-155

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